Buch über Ska in Ost und West: Nur die Anzüge saßen nicht so gut

Während die einen Partys feierten, wurden die anderen von Nazis verprügelt. „Ska im Transit“ erzählt die Geschichte der Subkultur in West wie Ost.

eine Frau im Anzug mit Hut

Pauline Black von The Selecter: Im Vergleich zur deutschen Ska-Szene sitzt hier der Anzug Foto: imago/Christian Ditsch

Blechreiz, Die Tornados, El Bosso & Die Ping-Pongs: Beknackte Bandnamen sind ein Charakteristikum der deutschen Ska-Szene, so viel steht fest. Aber wann kam der ursprünglich auf Jamaika entstandene und in Großbritannien massentauglich gewordene Ska-Sound überhaupt nach Deutschland? Auf welche Weise haben sich die Szenen in der BRD und der DDR voneinander unterschieden? Und wie war es, als sie nach 1989 dann aufeinandertrafen?

Diese und andere Fragen klären die Autoren Emma Steel und Matt Ska (beides Pseudonyme) in dem lesenswerten und optisch ansprechenden Buch „Ska im Transit“. Hinter dem Pseudonym Matt Ska verbirgt sich Matthias Bröckel, der 1989 auf seinem Label Pork Pie den ersten Sampler mit einheimischen Ska-Bands veröffentlichte. Emma Steel möchte ihren bürgerlichen Namen nicht veröffentlicht sehen. Sie schrieb bereits in den Achtzigern Texte für das Fanzine Skintonic, später auch für Skin Up, das bis 1999 erschien. Beide Publikationen waren Leitmedien der antirassistisch orientierten Sharp-Skinheads.

Ska und die Subkultur der Skinheads waren schon in den Sechzigern miteinander verknüpft: Der Ska-Stil mit seinem typischen Offbeat entstand bereits Ende der fünfziger Jahre auf Jamaika, Migranten brachten ihn in den Sechzigern nach Großbritannien, dort wurde er vor allem von weißen proletarischen Skinheads geliebt. Ab Ende der siebziger Jahre erlebte das Genre in Großbritannien dank des Labels 2 Tone Records eine Revitalisierung. Bands wie The Specials kombinierten Ska mit Pop und New Wave und landeten mit ihren Songs um 1980 auch in den Hitparaden. Sie positionierten sich eindeutig gegen Rassismus.

In Westdeutschland tauchten Ska-Versatzstücke bereits in Schlagern der 60er Jahre auf. Später gehörten die Düsseldorfer Fehlfarben („Abenteuer und Freiheit“, 1979) sowie Hamburgs Ede und die Zimmermänner („So froh“, 1980) zu den Ersten, die sich am 2-Tone-Sound versuchten. Von Mitte der Achtziger bis Mitte der Neunziger gab es europaweit die dritte Welle des Ska, die auf dem 2 Tone aufbaute und in Deutschland zahlreiche Bands hervorbrachte. 27 Akteure aus dieser Zeit befragten Emma Steel und Matt Ska für ihr Buch. Manche sind bis heute aktiv.

Stammesbildung mit Dresscodes

Rede und Antwort standen etwa Tausendsassa Dr. Ring Ding, Markwart Johannsen von der Band Yebo sowie Jörg Folta, Organisator des Ska-Festivals in Roßlau. Zur besseren Vergleichbarkeit bekamen alle Interviewten dieselben Fragen vorgelegt. „Wir haben uns für eine möglichst pure Form von Oral History entschieden und auf Kommentierung verzichtet“, erläutert Steel. „Damit wollen wir den Eindruck von Besserwisserei vermeiden. Alle erleben Situationen doch auf eigene Weise, gerade daran sieht man Widersprüche, und das finden wir interessant.“

Emma Steel, Matt Ska: „Ska im Transit“, Edition NoName, Berlin 2018, 160 Seiten, 24,90 Euro

Differenzen werden vor allem bei der Einschätzung der ersten Ost-West-Kontakte deutlich. Die einen haben eine gemeinsame Party gefeiert, die anderen kritisieren die Arroganz der Westler, wieder andere wurden im Ostdeutschland nach 1989 von Nazis angegriffen. In den Schilderungen solcher Ereignisse reicht das Buch über die kleine Subkultur-Welt des Ska hinaus und wirft Schlaglichter auf gesellschaftliche Probleme. Eine weitere Erkenntnis: „Im Osten war die Szene freier und weniger verkniffen“, erklärt Emma Steel. „Dort ging es um Anderssein und Ausprobieren. Dagegen hat sich im Westen schnell ein puristischer Ansatz, eine Stammesbildung mit Dresscodes etabliert.“

Ein Phänomen, das auch Leander Topp in einem der spannenderen Interviews schildert. Der Sänger der im Mai 1989 gegründeten Leipziger Band Messer Banzani empfand die westdeutsche Ska-Community als befremdlich homogen und wenig offen für Experimente. Ihm sei schnell klar geworden, dass seine Band mit ihrem Stilmix aus Ska, HipHop, Afro und Reggae nicht dazu passte.

Eine Stärke des Buches sind die Fotos. Sie zeigen, stylemäßig waren die Deutschen von ihren britischen Vorbildern meilenweit entfernt. Jene posierten cool in smarten Anzügen, dagegen sahen die deutschen Epigonen aus wie Lehramtsstudenten in Konfirmationsanzügen. Und während im Vereinigten Königreich schwarze und weiße Musiker gemeinsam auftraten, mit Pauline Black von The Selecter eine schwarze Sängerin die Fans elektrisierte und es mit The Deltones ab 1985 eine Frauen-Band gab, zeigen die Schnappschüsse aus Deutschland ein einseitiges Bild. Hier war Ska fast ausschließlich Sache von weißen Männern. Die Hintergründe dieser Monokultur bleiben in den Interviews leider ausgeblendet. Ein Versäumnis, das den positiven Gesamteindruck schmälert.

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