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Buch über KrisenpolitikUnter Druck

Ulrich Brand und Markus Wissen werfen einen analytisch scharfen Blick auf eine Klimapolitik, durch die ihnen zufolge auch die Demokratie erodiert.

Lithiumpumpe in der Atacama-Wüste. Chinesische Unternehmen sichern sich weltweit Vorkommen Foto: Lucas Aguayo Araos/dpa

Grünes Wirtschaftswachstum ist keine Lösung – im Gegenteil treibt es „zügig in den ökologischen Kollaps.“ Das belegen Ulrich Brand und Markus Wissen in ihrem neuen Buch „Kapitalismus am Limit“ durch Fakten und klare Analysen. Die imperiale Lebensweise des globalen Nordens bleibt auch ohne Kohle und Öl darauf angewiesen, soziale und ökologische Folgen auszulagern.

Windräder, E-Autos und Solaranlagen benötigen enorme Mengen Kupfer, Lithium und seltene Erden. Deren Förderung verursacht massive Umweltschäden und geht oft mit Menschenrechtsverletzungen einher. Auch Boden in anderen Weltgegenden wird beansprucht, um Sonnenstrom für die energieintensive Wasserstoffproduktion einzusammeln.

Wie in kolonialen Zeiten stammen die meisten Ressourcen aus Lateinamerika und Afrika. Die zu bekommen wird nicht nur wegen des Konkurrenten China immer schwieriger. Die Nutzung der Ozeane als CO-2-Senke oder das Auslagern von Umweltzerstörung sprengt inzwischen die planetaren Grenzen. Doch Infrastruktur, Gesetze und Alltagspraxis stabilisieren den einmal eingeschlagenen Weg.

Spannend ist das Buch vor allem, wo die beiden Autoren einen scharfen Blick auf die aktuelle Politik werfen. Statt problemadäquate Lösungen dominieren zwei Reaktionen: Grünes Wachstumsversprechen und Rechtspopulismus. Beide zielen darauf ab, die imperialen Produktions- und Konsummuster aufrecht zu erhalten.

Dicke Autos, hoher Fleischkonsum

Das Buch

Ulrich Brand/Markus Wissen: „Kapitalismus am Limit“. Oekom Verlag, München 2024, 320 Seiten, 24 Euro

Green Growth nutzt neue Techniken, die Rechten setzen auf Rassismus und Abschottung. Immer dickere Autos, hohen Fleischkonsum oder den Strombedarf der Chemieindustrie infrage zu stellen ist tabu, weil das als Freiheitsbeschränkung interpretiert wird. Europas Wirtschaft und Konsum ging schon immer zu Lasten von Menschen anderswo, gilt aber als Teil des demokratischen Systems.

Sowohl die Ampel-Regierung als auch die rechtsradikale Opposition blenden ökologische Klassenkonflikte aus, weil die gesamte Gesellschaft davon profitiert. In Südspanien produzieren Mi­gran­t*in­nen unter schlimmen Bedingungen billiges Gemüse für Nordeuropa. Dass Menschen ihre Heimat wegen des Klimawandels verlassen müssen, ist Anlass für eine Verschärfung der Abwehr-Infrastruktur.

In Deutschland ist das Bewusstsein für Klassengegensätze nach dem Ende des Fordismus in den 1970er-Jahren verschwunden. Insbesondere die sozialdemokratische Regierung Schröder setzte auf Neoliberalismus und machte Arbeit zu einem Bereich individueller Verantwortung. Die Spaltung zwischen Arm und Reich wächst, Abstiegsängste machen sich breit – und die AfD verspricht, die „gute alte Zeit“ wieder herzustellen, was vor allem für viele Männer eine attraktive Aussicht ist.

Die Regierung hat dem wenig entgegenzusetzen. Während sie Teile der Klimabewegung kriminalisiert, verstößt Verkehrsminister Volker Wissing gegen geltendes Recht und weigert sich, ein Klima-Sofortprogramm vorzulegen – und der Kanzler gibt ihm Rückendeckung. Das Vertrauen in die Demokratie erodiert.

Herrschende Sachzwang-Logik

Nötig wäre eine starke linke Bewegung, die sich der Sachzwang-Logik verweigert und Eigentumsrechte infrage stellt, so Brand und Wissen. Fliegen, Rasen ohne Tempolimit oder die Herstellung von SUV dürften keine Option mehr sein. Der Kampf um Lützerath, Solidarische Landwirtschaft oder ´Deutsche Wohnen enteignen´ sind Beispiele von Selbstermächtigung, die auf eine solidarisch-radikale Demokratie abzielen.

Die Grünen haben bei der letzten Wahl Kraft aus solchen Bewegungen gezogen, ihnen aber nichts zurückgegeben. Doch weil sie emanzipatorische Alternative jenseits des Kapitalismus aufzeigen, lohnt sich der Kampf, so die beiden Professoren. Schließlich zerstört ein weiter-so-wie-bisher sowohl Demokratie als auch Lebensgrundlagen.

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