Buch „Reise mit Clara durch Deutschland“: Unterwegs im grauen Land
Fernando Aramburu wurde mit dem üppigen Baskenland-Panorama „Patria“ bekannt. Einen älteren Roman stellt er nun in seiner Wahlheimat Hannover vor.
Der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa soll gesagt haben, er habe „seit Langem kein so überzeugendes und bewegendes Buch mehr gelesen“, die Zeitung El País fühlte sich an „Krieg und Frieden“ erinnert, „Patria“ wurde in rund 20 Sprachen übertragen, im Herbst 2020 kam die Adaption des US-Bezahlsenders HBO heraus.
Da mag es sich nicht von selbst erklären, dass der 1959 in San Sebastián geborene Aramburu nicht etwa nach Hollywood übergesiedelt ist oder wenigstens in ein schönes Leben versprechendes Eckchen der spanischsprachigen Welt. Nein, der Mann lebt weiterhin – in Hannover. Dorthin verschlug es ihn in den frühen 80er Jahren, er folgte seinem Herzen beziehungsweise jener Frau, die heute seine Ehefrau ist.
Aramburu hat also im gerne als grau und pedantisch gelesenen Land im Norden mehr Zeit verlebt als in seiner eigentlichen, tja, Heimat – und dann auch noch im gerne als besonders wenig aufregend verunglimpften Teil dieses grauen Landes. Aber der Mann sagt in Interviews auch gerne Dinge wie: „Mich hat noch niemand mit einer Fahne gesehen, ich kann keine Hymne singen. Ich mag es lieber ruhig und privat.“
Lesung und Gespräch: Di, 8.2., 19 Uhr, Hannover, Literaturhaus (evtl. Restkarten)
Moderation: Joachim Dicks,
Lesung der deutschen Textfassung: Rainer Frank
Aus seinem Privatleben gespeist, zumindest aber davon inspiriert ist der Roman, den Aramburu bereits 2010 auf Spanisch veröffentlichte, also lange vor seinem breiten Erfolg. Erst jetzt ist diese „Reise mit Clara durch Deutschland“, wiederum übersetzt von Willi Zurbrüggen, auch ebendort erschienen, also hier (Rowohlt 2021, 592 S., 25 Euro; E-Book 19,99 Euro): Es handelt von einer deutsch-spanischen Ehe, von einer Reise, die in Wilhelmshaven ihren Ausgang nimmt und deren Stationen unter anderem Bremen, Worpswede, Hannover, Göttingen und Goslar sind.
Kaum mehr als eine „Aneinanderreihung von Stippvisiten in Norddeutschland“ hat dann etwa die – ausgerechnet – Süddeutsche Zeitung erkannt, wo vielleicht eine echte Grand Tour zu erwarten wäre. Am „so verquasselten wie verquasten Ich-Erzähler“ krankt das Buch in den Augen eines anderen Rezensenten. Hat „Patria“, diese so vielstimmige Annäherung an eine komplizierte Wirklichkeit, einfach Erwartungen bei seinen Lesenden hinterlassen, die dieses so ganz anders geratene Buch schlicht nicht einzulösen vorhatte? Corona hatte die eine oder andere Lesung in der Region verhindert, aber nun stellt Aramburu den nachgeschobenen Vorgänger in Hannover vor – in einem derzeit ausgebuchten Saal.
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