piwik no script img

Buback-Prozess in StuttgartKam, sah und schwieg

Der einstige RAF-Kämpfer Christian Klar hätte viel dazu beitragen können, den Mord an Siegfried Buback aufzuklären. Doch er verweigert die Aussage über dessen Mord.

Christian Klar müsste wissen, wer Siegfried Buback ermordet hat. Bild: dapd

STUTTGART taz | Er kam mit Schiebermütze und Sonnenbrille am Donnerstag ins Oberlandesgericht, vors Gesicht hielt er sich eine Zeitung. Ex-RAFler Christian Klar, 2008 aus der Haft entlassen, wollte nicht fotografiert werden.

Es hätte ein großer Moment im Prozess gegen Ex-RAF-Mitglied Verena Becker werden können, die als Mittäterin am Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback angeklagt ist. Klar sollte sagen, wer 1977 den obersten Terror-Ermittler erschossen und welche Rolle Becker im damaligen RAF-Kommando hatte. "Kaum jemand weiß das so gut wie Sie", ermunterte ihn der Vorsitzende Richter Hermann Wieland. Klar war 1985 selbst als Mittäter zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Zwar hatte Klar schon im Vorfeld signalisiert, dass er die Aussage verweigern werde. Richter Wieland redete aber dennoch eine Viertelstunde auf ihn ein. Eine Aussage könne eine Art "Versöhnung" sein. Aber Klar blieb bei seiner Aussageverweigerung: "Ich mach keine Angaben." Er sagte nur: "Ich hab Arbeit als Kraftfahrer". Und: "Ich zahl die Miete für meinen Wohnsitz selbst."

Klar muss vor Gericht nicht aussagen, da er sich selbst belasten könnte. Dies hat schon 2008 der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden und ihm so sechs Monate Beugehaft erspart. Michael Buback, Sohn des Opfers und Nebenkläger, protestierte: "Ich bin erschüttert." Klar habe doch nichts zu befürchten, weil er wegen dieser Tat schon bestraft worden sei. Allerdings hatte der BGH darauf verwiesen, dass Aussagen zum RAF-Kommondo beim Buback-Mord auch Rückschlüsse auf andere RAF-Anschläge von 1977 zulassen könnten.

Klar war der letzte prominente Ex-RAFler, der im Verfahren gegen Verena Becker aussagen musste. Indirekt war er auch dessen Auslöser. Als 2007 über seinen Begnadigungsantrag diskutiert wurde, meldete sich Michael Buback zu Wort und forderte Klar auf, zu sagen, wer seinen Vater ermordet hat. Buback hat seither nicht locker gelassen und erreicht, dass neu ermittelt und am Ende Verena Becker angeklagt wurde. Laut Anklage der Bundesanwaltschaft hat sie aber nicht geschossen, sondern nur Briefumschläge mit Bekennerschreiben zugeklebt.

Für Chemieprofessor Buback ist sie die Mörderin. Er vermutet, dass sie von Geheimdiensten gedeckt wird. Gestern zeigte sich der Nebenkläger aber ausgelaugt: "Ich weiß nicht, wie lange ich das noch mitmachen werde." Der Prozess dauert an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • D
    DaMika

    @Jorge Videira: Sie haben vergessen, Ihren Beitrag als Satire zu kennzeichnen.

  • DS
    Deutsches Schweigen

    Die RAF hat doch ebenso wie die Studibewegung 68 kritisiert, dass ihre Eltern & Großeltern ihre Nazivergangenheit nicht aufarbeiten sondern verschweigen. Unter den Talaren der Muff von 100 Jahren usw.

     

    Leider machen die "Rest-RAF'ler" den gleichen Fehler - keine Chance zur Aufarbeitung wenn alle schweigen.

  • B
    Bernd

    Die privaten Obsessionen des Hrn. Buback kosten Steuergeld und bringen nichts. Die RAF-Terroristen sind wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt und haben diese auch so begangen. Wen interessiert es da, wer geschossen hat? Hier sollen Aussagen, Bekenntnisse, Geständnisse, Widerrufe u.ä. erzwungen werden. Hier soll der Wille gebrochen werden. Das zeugt von einer inquisitorischen Geisteshaltung, die im 21. Jahrhundert nichts verloren hat. Hr. Buback sollte sich psychologische Hilfe suchen.

  • J
    Julian

    „Er kam mit Schiebermütze und Sonnenbrille am Donnerstag ins Oberlandesgericht, vors Gesicht hielt er sich eine Zeitung. Ex-RAFler Christian Klar, 2008 aus der Haft entlassen, wollte nicht fotografiert werden.“

     

    …und die Taz stellt gleich ein Bild ins Netz, die sonnenbebrillten Augen ein wenig verpixelt. Wenn die geldgeilen Fotografen die Wünsche eines Gefangenen nicht akzeptieren, sollten das wenigstens die Zeitungen nachholen!

  • N
    Nassauer

    "Kämpfer"? Am 19.11.79 schoss er in Zürich eine Blumenhändlerin in den Bauch, um an ihr Fahrzeug zu kommen, sie überlebte nur knapp. Toller "Kampf"...

  • I
    isklar

    und die haben sich also über väter und großväter aufgeregt, die über ihre nazivergangenheit schwiegen? wie die väter...

  • V
    vic

    Klar soll bei der Aufklärung eines Verbrechens mitarbeiten, für das er selbst verurteilt wurde?Weswegen wurde er dann verurteilt...

    Muss ich das verstehen?

  • JV
    Jorge Videira

    Niemand hat Buback dazu gezwungen, diesen Prozess auszuhalten: er hat schließlich eine kranke und gezeichnete Frau, die schon genug gelitten hat, der Zumutung einer Anklage ausgesetzt.

  • A
    atypixx

    Vielleicht wäre Klar redefreudiger gewesen, wenn man seinem Gnadengesuch aus dem Jahr 2005 entsprochen hätte. Aber dass der alles tut, um nach seinen 23 Jahren Knast (oder waren es mehr) kein neues Ermittlungsverfahren an den Hals zu kriegen ("Mord verjährt nicht"), ist doch klar. Da muss man kein Egozentriker sein, um da zu schweigen, so wie er es getan hat.

  • D
    docvonstock

    Nicht nur Michael Buback ist erschüttert. Auch ich bin erschüttert. In anderen Medien war von dem Richterzitat die Rede, dass ja nun die Gesellschaft Christian Klar wieder in sich aufgenommen habe und nun er sich dafür einmal erkenntlich zeigen könnte, indem er nun aussagt. Was ist das für ein Ausdruck rechtstaatlicher Verkommenheit? Gibt es nun ein Aussageverweigerungsrecht, oder nur eine Option, die einer moralischen Prüfung seitens der Gerichte standzuhalten hat. Was ist das für eine Rechtsprechung? Dem Zeugen wird ein Recht zugestanden, aber nimmt er es in Anspruch so ist dies moralisch verwerflich. Das ist altpreußischer Kadavergehorsam, dem hier das Wort geredet wird: "Der gute Soldat vergisst seine Rechte über die von ihm zu erfüllenden Pflichten!" Das ist einfach nur miese Gesinnungsjustiz, die in Deutschland leider eine sehr lange Tradition hat. Siehe dazu die Kommentare des Juristen Kurt Tucholski.

     

    Wenn jemand seine Strafe verbüßt hat, dann ist er nachträglich nicht mehr dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Von welcher Gesellschaft wurde Christian Klar denn ausgeschlossen, so dass er wieder gnädig aufgenommen werden konnte? Wurde ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt? Das wäre genau so grundgesetzwidrig wie die gültige Regelung der Überhangmandate, wie das BVG feststellte.

     

    Aber bereits da zeigt es sich, was an Rechtsstaatlichkeit in Deutschland übrig geblieben ist, wenn eine schwindsüchtige Bundesregierung, die auf dem letzten Loch pfeift, sich einen Dreck um das Grundgesetz schert.

  • R
    reblek

    "Doch er verweigert die Aussage über dessen Mord." - Ich gehe mal davon aus, dass für diese Freud'sche Fehlleistung die Redaktion verantwortlich ist, denn Klar sollte nicht über "Bubacks Mord" aussagen, sondern über Bubacks Ermordung. Den Unterschied müsse selbst die taz-Redaktion kennen.

  • S
    Stefan

    Ich dachte, dass er war Terrorist? "Kämpfer", Friedensaktivist... sind wir doch mal nicht kleinlich.

  • SM
    stephan mirwalt

    Der Buback soll sich mal nicht so anstellen.

  • A
    Amok

    "RAF-Kämpfer"

     

    Warum nicht "RAF-Terrorist"?