: Brotlose Kohle
■ Heimweh nach Bitterfeld von Thomas Freundner und Ralf Höpfner im Metropolis
von Thomas
Freundner und Ralf Höpfner im Metropolis
„Dichter in die Produktion“ lautete eine der heute romantisch klingenden Losungen, die Kulturschaffende der DDR auf der 1. Bitterfelder Konferenz am 24. April 1959 stanzten. Kunst und Arbeit sollten verschmelzen im sozialistischen Wettlauf um eine bessere Welt. Solche Verklärungen hatten die Filmemacher Thomas Freundner und Ralf Höpfner jedoch nicht im Kopf, als sie - noch völlig ohne Budget - Mitte 1990 mit den Recherchen für ihren Dokumentarfilm Heimweh nach Bitterfeld begannen.
Während 1959 die Intelligenzia noch tagte, fraß der Braunkohlebergbau rund um das sächsische Industriestädtchen weiter die Landschaft auf. 13 Tonnen Braunkohle wurden täglich für die Aluminiumproduktion verfeuert. Der Tagebau hinterließ ein riesiges Loch in Sachsens Erde. Aus dem soll zwar im nächsten Jahrzehnt ein Stausee werden, doch die Hoffnungen der Menschen in Bitterfeld auf „Freiheit und Arbeit“ wurden seit der Grenzöffnung und seit der Vereinigung nicht nur von Politikern fürstlich genährt, sondern meistens auch von den kapitalistischen Realitäten bitter enttäuscht.
Freundner und Höpfner, die seit Mitte der 80er Jahre in Hamburg leben, hatten sich vorgenommen, ein Bild von den Befindlichkeiten der Ostdeutschen, von den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen zu zeichnen. Bitterfeld schien ihnen der beispielhafte Flecken zu sein, um über längere Zeit Menschen in einer Situation, in der der Wandel zur Normalität wurde, zu beobachten.
Sie lassen den Sportwart zu Wort kommen, der sich erinnert, daß die Bitterfelder meistens einen besonderen Heimvorteil hatten, weil ihren Gegnern aus anderen Regionen wegen der kohlegeschwängerten Luft spätestens in der zweiten Halbzeit die Luft wegblieb. Seit aber die Aluminiumproduktion stillgelegt wurde, sei der Schnee wieder richtig weiß geworden. Zu Wort kommt aber auch der Leiter des traditionsreichen Bitterfelder Vorhängeschloßbetriebs, der zunächst noch hoffnungsvoll auf die Kooperation mit dem größten westdeutschen Schloßhersteller spricht, aber nach einigen Monaten erkennen muß, daß sich die Wessis, nachdem sie sich die Kundenkartei unter den Nagel gerissen hatten, keine Chancen mehr sahen, den Betrieb aufrechtzuerhalten.
1Auf den Bitterfelder „Holzweg“ spielen die Filmemacher mit Ausschnitten aus Produktionen des Amateurfilmkollektivs Bitterfeld an. Diese zeugen von den angeordneten Freizeitaktivitäten, mit denen das Regime schließlich verhinderte, daß Hobbykünstler sich auf eigene Wege wagten. Freundner und Höpfner jedoch gelang ein subjektiver, sehenwerter Blick ins ehemalige „Drüben“, der 1992 beim Dokumentarfilmfestival in Nyon den Publikumspreis holte. jk
Metropolis, 20.15 Uhr in Anwesenheit der Regisseure; bis 11.1., 18 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen