Britische Ministerien legen Ausgaben offen: Das masochistische Kabinett

Großbritanniens konservativ-liberale Regierung veröffentlicht ab sofort jeden Monat die Ausgaben ihrer Ministerien. Das soll Transparenz schaffen und vor allem Geld sparen.

Britische Transparenz-Offensive im Internet: Die Bürger sollen Politik verstehen. Bild: 3lab.tv / photocase.com

LONDON taz | Warum tut eine Regierung so etwas? Monat für Monat will die britische Koalition aus Konservativen und Liberalen ab sofort alle ihre Ausgaben offenlegen. Und zwar als OpenData, also als Datensätze in maschinenlesbaren Formaten wie Excel-Listen. So lassen sie sich automatisiert sortieren, filtern und durchstöbern. Der britische Premier David Cameron erklärte ehrgeizig, mit dem Projekt wolle man die transparenteste Regierung der Welt werden.

Praktischer sieht es der Minister für Kabinettsangelegenheiten, Francis Maude. Obwohl er die Veröffentlichung mehr im Scherz als „Masochismus“ bezeichnet hatte, fordert er jeden dazu auf, die Datensätze aus dem Internet zu nehmen und zu analysieren. „Wir glauben, dass die Veröffentlichung dieser Daten zu besseren Entscheidungen der Regierung führen und schließlich helfen werden, Geld zu sparen“, schrieb der Minister im britischen Guardian.

In dem Projekt werden alle Ausgaben der Ministerien, die eine Höhe von 25.000 Pfund übersteigen, im offiziellen Datenkatalog data.gov.uk veröffentlicht. Seit dem Wochenende auch rückwirkend bis zum Mai diesen Jahres. Einige NGOs und Zeitungen, die die Datensätze vorab erhalten hatten, präsentierten ebenfalls am Wochenende erste Erkenntnisse - natürlich online und für alle zugänglich.

Francis Maude lässt sich bei der Offenlegung der Ausgaben von einer sogenannter Kommission für Transparenz beraten. Eines der vier Mitglieder dieses Gremiums ist niemand geringerers als Tim Berners-Lee, der von der britischen Königin für das Erfinden des WorldWideWeb geadelt wurde.

Zeitgleich mit der Ankündigung der britischen Regierung fand in London auch das OpenGovernmentData Camp statt. Dabei schaute so mancher Teilnehmer aus Deutschland neidisch auf die englischen OpenData Initiative. In Deutschland hat die Regierung bis 2013 gerade einmal eine recht unkonkrete „OpenGovernment“ Initiative angekündigt. Von einer Transparenz in Sachen Haushaltsdaten wie in England ist die Bundesrepublik noch einige britische Meilen entfernt.

In der Eröffnungsrede des Camps verglich der Kanadier David Eaves, der unter anderem den Bürgermeister von Toronto bei der Veröffentlichung von Datensätzen der Stadt berät, den Sinn von OpenData mit der Einrichtung von Bibliotheken. Diese seien im 19. Jahrhundert von Staats wegen nicht eingeführt worden, um den lesenden Bürgern etwas zu bieten, sondern um ihnen zu helfen, Leser zu werden. “Heute bauen wir OpenData-Portale – nicht weil wir politisch befähigte Bürger haben, sondern wir stellen sie zur Verfügung, damit Bürger in der Lage sind, Politik zu verstehen.” Das sei der Auftrag der OpenData Bewegung, so Eaves.

Alle Ergebnisse des OpenGovernmentData Camps gibt es hier.

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