Bremer SPD-Innensenator hört bald auf: Ein Mann, ein Schnauzbart
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer tritt er zum Jahresende zurück. Seine potentielle Nachfolgerin Eva Högl kann einiges von ihm lernen.

N ach 17 Jahren bekommt Bremen einen neuen Senator für Inneres, nein, falsch, eine Senatorin. Das soll nach Informationen des Weser Kuriers vom Montag Eva Högl werden, die aus Osnabrück stammende ehemalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags. Am Vortag hatte ihr SPD-Genosse Ulrich Mäurer seinen Rücktritt zum Jahresende angekündigt.
Damit kann er nun nicht mehr dienstältester Innenminister der Republik werden, das bleibt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der seinen Dienst 2007 angetreten hatte – ein Jahr vor Ulrich Mäurer. Der taz wurde eine E-Mail zugespielt, in der der 74-jährige Mäurer seiner mutmaßlichen, knapp 20 Jahre jüngeren Nachfolgerin sein Erfolgsgeheimnis erklärt. Wir dokumentieren hier einen Auszug.
„Eva, ganz ehrlich, das Wichtigste ist der Schnauzer. Nicht, weil du damit einem 'harten Hund’ ähnelst, als der wir so oft beschrieben werden, wenn wir einfach unseren Job machen. Wir eröffnen nun mal keine Kindertagesstätten, loben Architekturpreise für die Verschönerung der Innenstadt aus oder zählen Frösche im Naturschutzgebiet! Nein, der Schnauzbart – jedenfalls wenn du ihn jahrzehntelang trägst wie ich – symbolisiert Kontinuität, das beruhigt die Leute. Und darum, ausschließlich darum geht es bei deinem neuen Job.
Als Innensenatorin sollst du zwar für innere Sicherheit sorgen, aber dass in einer Demokratie wie unserer alle ruhig und friedlich bleiben und Graffiti nur dort sprühen, wo sie ausdrücklich erlaubt sind, liegt nicht in deiner Hand. Umso wichtiger ist es, für die gefühlte Sicherheit zu sorgen! So sahen die polizeilichen Kriminalstatistiken der vergangenen Jahre überhaupt nicht gut aus und 2024 hatte Bremen sogar erstmals unter den Großstädten die höchste Kriminalitätsquote, in den Top Ten sind wir ja schon lange. Und was soll ich sagen? In Umfragen bin ich trotzdem zuverlässig der zweitbeliebteste Politiker in Bremen, nach dem Bürgermeister!
Klar, das liegt nicht nur am Schnauzer. Damit sich die Leute (das sind alle, die wählen dürfen) sicher fühlen, muss man ihnen sagen, dass man alles wegmacht, vor dem sie Angst haben. Das habe ich damals schon als Staatsrat für Justiz unter Henning Scherf so gehandhabt. 1997 wurde ich das, vorher hatte ich schon knapp 20 Jahre in der Justizbehörde gearbeitet. 'Einsperren und abschieben’ habe ich 2002 über jugendliche Intensivstraftäter gesagt, das hat damals in meiner eigenen Partei einige auf die Palme gebracht. Einer hat mir sogar im Parlament geraten, ich solle weniger Interviews geben und stattdessen lieber die Verwaltung auf Trab bringen.
Die Genossen grummeln nur noch
Das machen die mittlerweile nicht mehr, die wissen, dass es nichts bringt. Die grummeln nur noch so vor sich hin, so wie im Mai im Landtag, als ich ihnen gesagt habe, was ich von ihrem Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren halte, nämlich nichts. Oder im Dezember, als ich die Polizei in die Räume der Zionsgemeinde geschickt habe, um einen jungen Somalier herauszuholen, der nach Finnland abgeschoben werden sollte. 'Bremer Innensenator bricht Kirchenasyl’ hat die taz getitelt. So ein Quatsch. Durchgesetzt hat sich meine Lesart, dass die Bremer Kirchen es übertrieben haben mit der Nächstenliebe.
Es hilft natürlich, dass bei der Lokalzeitung, dem Weser Kurier, ein paar Leute arbeiten (fast alle sind Männer, fällt mir gerade auf), die sehr viel Beruhigung brauchen. Die haben Angst vor allem Möglichen, was sie als fremd empfinden, vor Ausländern, Drogenabhängigen und psychisch Kranken. Die haben sich immer sehr gefreut, wenn ich gesagt habe: Ich mach das weg. Und mir viel Interview-Platz dafür eingeräumt, ohne jede kritische Nachfrage, das ist schon sehr komfortabel.
Kann aber sein, Eva, dass du das falsche Geschlecht hast und dir bei denen auch kein Schnauzer hilft. Also ich jedenfalls konnte den Konsum von Alkohol und Drogen an den Straßenbahnhaltestellen in der Nähe des Bahnhofs verbieten und musste nicht erklären, inwiefern das mehr ist als Symbolpolitik, die das Problem symptomatisch behandelt anstatt ursächlich. Und als ich im Januar ein Frühwarnsystem für potentiell gewalttätige psychisch Kranke gefordert habe, hat niemand nachgehakt, wie das funktionieren soll und wie das mit dem Datenschutz zusammen passt. Vielleicht hat die taz das gemacht, keine Ahnung, mich interessiert das nicht so, deren Leser wählen uns eh nicht.
Manchmal lohnt es sich aber doch, da mal reinzugucken. Die finden dich immer super, wenn du etwas gegen 'Macker’ unternimmst oder 'Kapitalisten’, ich denke, so nennen die das, vor denen haben die mehr Angst als vor kriminellen Ausländern. Falls du noch nicht so vertraut bist mit meinem Oeuvre: Ich habe die Hell’s Angels verboten und der Deutschen Fußball Liga GmbH Rechnungen für Polizeieinsätze bei Fußballspielen geschickt. Im Januar gab mir das Bundesverfassungsgericht recht, nach elf Jahren Streit! Wo ein Schnauzer ist, da ist ein Weg! Und das Böllerverbot an Silvester hätte ich mit mehr Zeit auch noch durchgesetzt. Abstand genommen habe ich hingegen davon, Bremens Bordellmeile, die Helenenstraße, dicht zu machen, da war der Widerstand ausnahmsweise dann doch zu stark.
Rechte SPDler gibt es in Bremen nicht
Wahrscheinlich hatten einige in meiner Partei vor der letzten Wahl 2023 darauf gehofft, dass ich endlich mal jemand anderes ran lasse ans Amt des Innensenators, aber ich bin doch nicht so blöd und höre auf, kurz bevor Bremen den Vorsitz der Innenministerkonferenz bekommt! Da konnte ich dieses Jahr noch mal richtig groß aufspielen. Außerdem wissen sie ja, was sie an mir haben. SPDler, die CDU-Wähler verführen könnten, ihr Kreuz bei uns zu machen, muss man in Bremen mit der Lupe suchen, wir sind hier nicht in Hamburg.
Da müsstest du vielleicht noch mal gucken, ob du dein Profil noch etwas schärfen könntest. Im Weser Kurier habe ich gelesen, du seist ‚Mitglied der migrationsfreundlichen Lobbyorganisation Pro Asyl‘. Da musst du natürlich austreten, sonst nimmt man dir den Schnauzer nicht ab.“
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