Bremer Prozess um Todes-Fahrer: Zeugen belasten Motorradraser
Mit Videos auf YouTube wollte Alpi T. sein Studium finanzieren. Er tötete allerdings einen 75-Jährigen. Vor Gericht sagen zwei Zeugen, er habe nicht gebremst.
Am zweiten Prozesstag sagte der Angeklagte vorm Landgericht aus, dass er vor der Kollision eine Vollbremsung gemacht habe. Laut den zwei Fußgängern, vor deren Augen sich der Unfall ereignete, hat T. jedoch im Gegenteil unmittelbar vor der Kollision noch Gas gegeben.
Wegen Mordes muss sich Alpi T. verantworten, weil die Staatsanwaltschaft niedere Beweggründe und die Verdeckung einer Straftat geltend macht. In ähnlichen Fällen wird normalerweise wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, die Anklage unterstellt jedoch bedingten Vorsatz: T. soll vor dem tödlichen Zusammenstoß auf der Flucht von einem weiterem Unfallort gewesen sein.
Zudem hatte der Angeklagte regelmäßig seine riskanten Fahrten mit einer Helmkamera gefilmt und mit dem Hochladen der Videos Geld verdient – dank Werbeeinnahmen. Mehr als 84.000 Menschen folgten seinem YouTube-Kanal „Alpi fährt“.
Zum Zeitpunkt des Unfalls habe er überlegt, ob er mit den Einnahmen aus den Videos sein Studium finanzieren könne und ob das YouTube-Geld reichen könnte, um seine Nebenjobs zu kündigen, wie T. vor Gericht sagte. Den Unfall selbst habe er nicht aufgezeichnet, weil die Kamera zuvor, vermutlich aufgrund des Akkus, ausgegangen sei.
Über den tödlichen Unfall sagte der Beschuldigte, dass er vor der Kollision mit dem Fußgänger eine Vollbremsung gemacht habe – sowohl Vorder- als auch Hinterradbremse habe er angezogen und aus dem dritten in den ersten Gang heruntergeschaltet, um die Motorbremse auszunutzen. Der Motor der 200-PS-Maschine hätte deswegen aufgeheult. Den Rest wisse er nicht mehr. Erst im Krankenhaus sei er wieder aufgewacht. Er wurde wegen eines Ellenbruchs operiert.
Die zwei Zeugen überquerten die Unfallkreuzung direkt vor dem Unfallgeschehen. Sie ist in Bremen-Walle an der Nordstraße, Ecke Elisabethstraße. Die 16 und 17 Jahre alten Zeugen seien gemeinsam bei Rot über die Ampel gegangen, hatten aber zuvor geschaut, ob ein Fahrzeug sich näherte: „Die Straße ist lang, da war gar nichts zu sehen“, sagte einer.
Ein Augenzeuge
Just nach der Überquerung der Nordstraße sei ihnen ein älterer Herr entgegen gekommen: das spätere Opfer. Er überquerte laut ihren Aussagen ebenfalls die Straße bei Rot. Sekunden danach sei das Motorrad des Angeklagten mit „Autobahngeschwindigkeit“ angerast. Beide schätzten die Geschwindigkeit auf „über 100 km/h“. Sowohl die beiden Zeugen als auch der 75-Jährige hätten das Motorrad deutlich gehört.
„Ich bin mir sicher, dass er auf keinen Fall gebremst hat“, sagte einer, „es kam mir so vor, als wenn der Motorradfahrer Vollgas gegeben hat und ohne Rücksicht auf Verluste in den Mann reingefahren ist.“ Beide hörten den Motor des Rennmotorrads aufheulen und gehen davon aus, dass der Fahrer noch beschleunigte. Der 75-Jährige habe zwar noch versucht von der Fahrbahn zu eilen, sei aber dennoch frontal vom Motorrad erfasst worden. Einer der Zeugen rief sofort einen Krankenwagen, der andere erstarrte „im Schock“.
Auch ein weiterer Zeuge, ebenfalls Motorradfahrer, belastete den Angeklagten: Ein 59-jähriger Polizist sagte, dass er vom Beschuldigten am Tatabend mit „sehr hoher Geschwindigkeit“ rechts überholt worden sei, sodass es fast zum Unfall kam. „Es hätte nur noch eine Bild-Zeitung zwischen uns gepasst“, sagte der Polizist. Wenig später sei er noch einmal von demselben Motorrad an anderer Stelle überholt worden – mit circa 150 Stundenkilometern, wie der Polizist schätzte.
Er sei dem Angeklagten gefolgt, um das Kennzeichen des Motorrads sehen zu können: Es stimme mit dem des Angeklagten überein. Außerdem beobachtete der Polizeibeamte, wie der Fahrer des Motorrads im Stehen fuhr. Zu Hause habe der Polizist zu seiner Frau gesagt: „Der Drecksack hat mich überholt wie ein Wahnsinniger.“
An dieses Überholmanöver kann oder will sich der Angeklagte ebenso wenig erinnern wie die mutmaßliche Kollision, die Anlass zur Fahrerflucht gegeben haben soll.
Warum er überhaupt so schnell gefahren sei, fragt der Staatsanwalt. T. ist die Antwort vor allem gegenüber den Angehörigen des Verstorbenen unangenehm. Erst nach einer Verhandlungspause antwortet er: „Es hat Spaß gemacht.“
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