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Bremer Grünen-Nachwuchs über Ziele„Politik machen, die Leuten weh tut“

Die Bremer Grünen reservieren der Partei-Jugend zwei sichere Listenplätze für die Bürgerschaftswahl 2019. Aber wofür stehen die beiden aussichtsreichsten Newcomer?

Wünschen sich ein Mandat in der Bremer Bürgerschaft: Lea Schweckendiek und Philipp Bruck Foto: Niko Wolff/Fotoetage
Interview von Florian Maier

taz: Zur Bürgerschaftswahl 2019 haben die Grünen beschlossen, ihre Listenplätze fünf und sechs nur mit Menschen zu besetzen, die jünger als 30 sind. Gab es viel Gegenwind beim Erkämpfen dieser Listenplätze?

Philipp Bruck: So und so. Letztes Jahr auf der Mitgliederversammlung gab es viele Menschen, die das unterstützt haben, zum Glück auch ein paar prominentere. Vielen ging es darum, etwas für die Erneuerung der Partei zu machen. Manchmal wurde noch diskutiert, ob man eine sogenannte „Neuenquote“ einführt, sodass nur Leute, die vorher noch nicht in der Bürgerschaft waren, auf die Listen gewählt werden können. Die müssen nicht notwendig jung sein. Aber viele erweckten schon der Eindruck, auf jeden Fall fest verankern zu wollen, dass junge Leute frischen Wind in die Bürgerschaft bringen.

Die Grüne Jugend hat vorgeschlagen, dass Ihr diese Listenplätze besetzen solltet. In der Bürgerschaft wärt Ihr die jüngsten, oder?

Lea Schweckendiek: Die meisten jüngeren Leute in der Bürgerschaft sind Anfang 30, höchstens Ende 20. Wir wären schon so ziemlich die jüngsten.

Fühlt Ihr euch bereit für ein Mandat? Habt Ihr dafür genug Erfahrung?

LS: Erfahrung ist auf jeden Fall ein Punkt. Je jünger man ist, desto weniger Erfahrung hat man. Das macht es aber auch interessant. Dadurch, dass man weniger Erfahrung in diesem Geschäft hat, denkt man auch weniger in vorgegebenen Strukturen. Viele denken die von Anfang an mit. So wird weniger Neues ausprobiert.

Mit Listenplatz 5 und 6 wäre man bei der letzten Bürgerschaftswahl in die Bürgerschaft gewählt worden.

PB: Kommt natürlich immer aufs Wahlergebnis an. Wenn wir jetzt viele Wähler*innen verlieren, kommen die Plätze nicht mehr rein. Insofern ist das nicht völlig sicher. Die Linken haben 2015, so weit ich weiß, nur fünf Listenmandante bekommen. Und bei den Bundestagswahlen lagen die vor den Grünen. Es ist alles offen.

LS: Wir wünschen es uns auf jeden Fall.

PB: Man macht sich aber selbst nicht glücklich, wenn man davon ausgeht, es klappt auf jeden Fall.

Zwei mit sicherem Platz

Die Spitzenkandidat*innen-Urwahl bei den Bremer Grünen sorgt derzeit für Unklarheit darüber, mit wem die Partei auf den Plätzen eins bis drei in den Bürgerschaftswahlkampf 2019 zieht.

Beim Nachwuchs dagegen ist alles klar: Nachdem vor vier Jahren kein Grüner unter 30 ein Mandat erreicht hatte, erstritt die Grüne Jugend eine Satzungsänderung: Die Plätze fünf und sechs sind für Menschen reserviert, die das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Als Kandidat*innen hat die Grüne Jugend ihre Landesvorstandssprecherin, die vor 21 Jahren in Langenhagen geborene Politik- und Kulturwissenschafts-Studentin Lea Schweckendiek sowie Philipp Bruck, Jahrgang 1989, Ingenieur für Verfahrenstechnik und Sprecher der Grünen Bundesarbeitsgemeinschaft Tierschutz benannt, der aus Bielefeld stammt. (taz)

Bereitet Ihr Euch schon vor?

PB: Das wäre zu viel gesagt. Wir machen halt politische Arbeit. Es ist ja nicht so, als hätten wir vorher keine Politik gemacht und würden völlig neu einsteigen. Man ist da ja auch engagiert. Ich beispielsweise engagiere mich für Tierpolitik und Klimaschutz. Da schreiben wir auch jetzt schon am Wahlprogramm mit. Das ist ja alles schon inhaltliche Auseinandersetzung.

Mit welchen politischen Zielen wollt Ihr im Frühjahr ins Rennen gehen?

PB: Das wichtigste ist für mich auf jeden Fall Klimaschutzpolitik. Das ist auch das drängendste Thema. Ich glaube allerdings auch, dass innerhalb der Bevölkerung und auch in den Grünen die Dramatik des Problems noch nicht erkannt wird und wir weit davon entfernt sind, unsere Klimaziele noch zu schaffen. Das Ziel vom Klimagipfel in Paris ist eigentlich nicht mehr möglich einzuhalten. Damit meine ich allerdings nicht nur Kohleausstieg und Elektroautos, sondern die Einbeziehung aller gesellschaftlicher Ebenen.

Was wäre da ein sinnvoller Vorschlag?

PB: Man müsste sich auch mal trauen, Politik zu machen, die Leuten weh tut. Es tut niemandem weh, einen neuen Radweg zu bauen. Autofahren unattraktiver machen hingegen schon. Das ist aber für Klimapolitik unerlässlich. Dafür braucht es allerdings auch Mut.

LS: Was ich in dem Rahmen auch noch sehr spannend finde, sind so ganz kleine Veränderungen: Containern entkriminalisieren, unverpackten Konsum ermöglichen. Klar sind das jetzt nur kleine Projekte, die in kleinem Umfang den Klimawandel beeinflussen würden. Mein Herzensthema ist allerdings queerer Feminismus. Gerade finde ich spannend, dass es viele Städte gibt, die Modellprojekte durchführen zu genderfreien Kindergärten. Also, dass beispielsweise das Spielzeug geschlechterfrei ist oder die Kinder geschlechtsneutral angesprochen werden.

Habt Ihr vor, eine Berufspolitiker*innen-Karriere zu machen?

LS: Ein guter Aspekt dieser Quote ist, dass sie solchen Karrieren Einhalt gebietet – diesem Plan, in die Berufspolitik zu gehen und da auch langfristig zu bleiben. Nach so vier bis fünf Legislaturperioden geht da einfach so ein Stück Euphorie und Spaß verloren. Dann wird das einfach pure Arbeit, und nicht mehr Überzeugungsarbeit. Das ist etwas, das ich auf keinen Fall möchte. Ich habe wirklich Lust, diesen Job zu machen. Aber dann nur höchstens zweimal, wenn man merkt, dass man sich Dinge vorgenommen hat, die einfach länger brauchen. Ich möchte auf keinen Fall einer von diesen Menschen werden, die seit 30 Jahren nicht von ihrem Listenplatz abrücken. Das finde ich falsch für politische Ämter und Mandate.

PB: Es ist ja auch wichtig, dass man unabhängig bleibt. Ich bin jetzt mit meinem Studium fertig und arbeite als Ingenieur. Wenn es mit der Bürgerschaft klappen sollte, würde ich trotzdem versuchen, diesen zweiten Weg offen zu halten und mindestens einen Tag die Woche noch im Büro zu arbeiten. Gerade auch, um nicht den Kontakt zur restlichen Welt zu verlieren. Ich glaube, es ist sehr kritisch, wenn man kein abgeschlossenes Studium hat, und dann 20 Jahre in der Bürgerschaft saß. Dann ist man in gewisser Weise abhängig davon. So etwas würde ich immer vermeiden wollen.

LS: Unser Vorteil ist: Wir müssen uns nicht so die Gedanken machen, wen verprell’ ich jetzt mit der Aussage oder was, wenn ich nächstes Mal nicht wieder in die Bürgerschaft gewählt werde. Dann sind wir halt nächstes Mal raus. Ich bin noch jung genug, mir danach etwas anderes zu suchen. Vor allem bin ich nicht darauf angewiesen, weitere vier Jahre zu machen, weil ich sonst noch zu jung für die Rente wäre.

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10 Kommentare

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  • Die SPD Bremerhaven ist ca. genausostark in der Bürgerschaft wie die Grünen (6 Mandate). Vorgeschlagen wurden junge Leute auf den Listenplätzen 2,6,8. in Bremen hat die SPD einen 28-jährigen Vorsitzenden, der sogar politische Ideen hat. Hier wird leider versucht, absolute Randthemen, als revolutionäre politische Erneuerung zu verkaufen. So wichtig Klimapolitik ist(!) so entscheidend ist es doch, dass angehende Politikerinnen sich mit mehr als einem Thema auseinandersetzen.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Ganz großartige junge Leute! Ganz fantastisch!

  • Oh da steht wohl jemand auf „Kindergarten“ Themen und hat keine Ahnung von Wndrädern, denkt die stehen alle 10m rum wie im Wald

  • Zitat: „Aber viele erweckten schon der Eindruck, auf jeden Fall fest verankern zu wollen, dass junge Leute frischen Wind in die Bürgerschaft bringen.“

    Diese Vielen würden damit einen ziemlich falschen Eindruck erwecken, fürchte ich. Zumindest in diesen beiden konkreten Fällen. Der „frische[] Wind“, den die Möchtegern-Politiker machen wollen, scheint mir eher ein ziemlich alter Mief zu sein.

    Was, bitteschön, sollte denn neu sein an einer Politik, „die Leuten weh tut“? Ich meine: So eine Politik wird seit Jahrtausenden gemacht. Mut hat es dafür nie gebraucht. Nur Macht. Die fängt zwar auch mit M an, ist allerdings was völlig anderes.

    Aber gut: Wer noch nicht lange genug erwachsen ist, als dass er den Unterschied bereits aus eigener Anschauung kennen könnte, der muss ihn sich womöglich nicht unbedingt denken können heutzutage. Dass der Mensch als solcher erst kapiert, wenn er persönlich betroffen ist, scheint ja doch breiter Konsens zu sein derzeit.

    Junge Leute, die noch keine Macht hatten, stehen dem Phänomen und seinen Folgen womöglich einfach etwas unkritischer gegenüber als andere. Sie glauben, wenn sie sich ein neues Thema suchen (Containern etwa, queerer Feminismus oder geschlechterfreies Spielzeug), sind sie modern.

    Dass man mit alten Strategien auch neue Themen gegen die Wand fahren kann, werden sie sicher rausfinden irgendwann. Oder auch nicht. Weil: Wenn was nicht klappt sind ja immer erst mal die Anderen schuld. Auch aus Sicht der Jungen, die es nie besser gelernt haben von ihren Altvorderen.

    Sag ich ja: Ganz alter Mief in neuen, jungen Köpfen.

    • @mowgli:

      Von welchen Ereignissen, Reden, Schriften oder was auch immer Realem reden Sie? Ich habe den Eindruck, das alls sind nur Allgemeinplätze und Sie beißen sich an Kleinigkeiten (Spielzeug) fest.

  • Lea Schweckendiek sagt: „Gerade finde ich spannend, dass es viele Städte gibt, die Modellprojekte durchführen zu genderfreien Kindergärten. Also, dass beispielsweise das Spielzeug geschlechterfrei ist oder die Kinder geschlechtsneutral angesprochen werden.“



    Ich bin strikt dagegen. Stattdessen müsste man sich auch mal trauen, für Mädchen, die als Mädchen angesprochen werden wollen, Mädchengymnasien einzurichten, vor allem in sozial benachteiligten Stadtteilen wie Osterholz/ Blockdiek, Gröpelingen/ Oslebshausen, Blumenthal oder Huchting.



    Auch auf die Gefahr hin, dass das einigen Leuten ganz schön wehtun würde. Ich schätze, auch einigen Redakteurinnen und Redakteuren der taz Bremen. Das käme ihnen zu queer vor.



    Martin Korol, Bremen

    • @Martin Korol:

      korol, sie faseln.

      • @rughetta:

        Rughetta! Komm zur Sache!



        MK

  • Kurzum:



    Die Zukunft der Grünen sieht so aus:



    Kämpfen gegen den Klimawandel, auch, wenn es Leuten wehtut (Was ganz neues bei den Grünen. Die haben ja mit HartzIV und Kriegsführungen niemals jemanden wehgetan.) und queere Kindergärten.

    Irgendein sozialer Aspekt kommt überhaupt nicht mehr vor.(Okay, zukünftig dürfen HartzIVler auch im Müll containern, das ist nett.) Kein Wunder, dass die LINKE in Bremen die Grünen wohl abhängt. Mit der Liste wohl noch mehr.

  • Da Spitze, wenn sie für Klimaschutz sind, dann können sie ja gleich mal ihrer Parteigenossin, die gerade den Grimmwald mit seinem bis zu 800 Jahre alten Baumbestand praktisch zur Zerstörung mittels Windrädern freigegeben hat (ungeachtet der Tatsache, dass dort viele der vom Aussterben und nur bei uns vorkommenden Rotmilane nisten), die Meinung geigen und diesen Schwachsinn verhindern.

    Aber laßt die Pfoten von den Kleinsten und Wehrlosesten, sprich, haltet euch von den Kindergärten fern.