Bremer Finanzsenatorin übersteht Attacke: Großes Vertrauen in Linnert
Das Misstrauensvotum gegen Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) ist gescheitert: Sogar Abgeordnete der Opposition stimmten für sie.
38 Stimmen hatte die Opposition im Saal, für das Misstrauensvotum wären 42 Stimmen erforderlich gewesen. Aber nur 35 folgten Röwekamp in der geheimen Abstimmung, eineR enthielt sich. Das heißt: Linnert bekam sogar zwei Stimmen aus dem Oppositionslager.
Und die Koalition hielt entgegen anderer Spekulationen mit 43 anwesenden Abgeordneten zu ihrer Finanzsenatorin. Die Grüne Susanne Wendland fehlte zur Abstimmung zwar, aber die Lücke füllte der parteilose Bernd Ravens, der unmittelbar vor seinem Eintritt in die SPD-Fraktion steht.
Zuvor waren alle Register der parlamentarischen Streitkultur gezogen worden. Als Aufsichtsratsvorsitzende der Bremer Landesbank (BLB) habe sie im Herbst 2015 die Alarmzeichen erkennen und darauf dringen müssen, dass der Bank-Vorstand handelt – anstatt auf bessere Zeiten zu warten, sagte Röwekamp. Sie hätte seit der Alarm-Meldung der Europäischen Zentralbank Ende März darauf bestehen müssen, dass die Anteilseigner – Bremen und die Nord LB – ihrer Bank mit einer Kapitalerhöhung aus der Klemme helfen.
Fehler aus der Zeit des CDU-Finanzsenators
Überhaupt, griff Röwekamp in die Kiste der Geschichte, sei die Umwandlung der stillen Beteiligung in einen Gesellschafteranteil im Jahre 2012 ein Fehler gewesen, aus heutiger Sicht. Allerdings einer, räumte er ein, dem auch die CDU zugestimmt habe. Damals hätte die Finanzsenatorin versichert, Bremen müsse sich „in den nächsten Jahren keine Sorgen machen“. Das sei offenkundig falsch gewesen.
Bloß: Nicht nur das Geschäft mit den spekulativen „Credit Default Swaps“-Papieren (CDS), sondern auch die „Klumpenbildung“ bei den Schiffsbeteiligungen passierten in einer Zeit, als Bremens Finanzsenator Hartmut Perschau hieß, der der CDU angehörte und im Aufsichtsrat saß. Die Nord LB beherrschte damals die Landesbank, Bremen hielt nur 7,4 Prozent. Als Linnert Aufsichtsratsvorsitzende wurde, wurden die CDS-Swaps abgestoßen und die Schiffsbeteiligungen heftig reduziert (siehe Schwerpunkt SEITE 44/45).
Die Grünen-Vorsitzende Maike Schaefer griff noch weiter in die Geschichtskiste: Damals, erinnerte sie, als die Grünen einen Misstrauensantrag gegen Thomas Röwekamp als Innensenator beantragt hatte, da war der verantwortlich gewesen für den Brechmittel-Tod von Laye Condé in Polizeigewahrsam. Röwekamp habe damals erklärt, „Schwerverbrecher“ müssten mit „körperlichen Nachteilen rechnen“. So etwas sei persönlich zu verantwortendes Fehlverhalten, so Schaefer – und Röwekamp sei nicht zurückgetreten.
Dass die Linksfraktion dem Misstrauensantrag zustimme, habe nichts mit der BLB-Politik zu tun, da könne er ein „persönliches Versagen“ der Finanzsenatorin nicht erkennen, betonte der Linken-Abgeordnete Klaus-Rainer Rupp. Die Finanzsenatorin habe deswegen nicht das Vertrauen der Fraktion, weil sie strikt an dem Konsolidierungskurs festhalte. Fraktionsvorsitzende Kristina Vogt sagte, die Sparpolitik des Senats sei aus sozialpolitischen Gründen nicht zu verantworten.
Der Senat spare zu wenig, findet dagegen Antragsteller CDU: Der Versuch, die Mehrkosten für die Unterbringung der Flüchtlinge aus dem vereinbarten Spar- und Konsolidierungskonzept herauszurechnen, sei vom Stabilitätsrat moniert worden. Bis Ende Juni verlangt dieses Aufsichtsgremium über Bremens Haushaltspolitik die Darstellung weiterer Spar-Anstrengungen. Seit Jahren dränge der Stabilitätsrat, nun habe Bremen einen „blauen Brief“ bekommen. Wie das Parlament als Haushaltsgesetzgeber 360 Millionen Euro, mit denen die Kosten für Flüchtlinge zu Buche schlagen, einsparen könnte, das weiß allerdings auch die CDU nicht.
Linnerts Kampf für „bremische Interessen“
Diese Schwachstelle nutzte Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) für eine wortgewaltige Rede. Bremens Haushaltspolitik werde von der Bürgerschaft verantwortet, erklärte er. Und da habe die CDU keine Alternative zu bieten. Dass sie gemeinsame Sache mit dem rechten Rand in der Bürgerschaft mache, sei alarmierend, „denen kann man Bremen nicht anvertrauen“.
Sieling nahm die Finanzsenatorin in Schutz, der die starken Worten vorgeworfen wurden, mit denen sie für die bremischen Interessen kämpft: Sie hatte bezüglich der BLB-Krise erklärt, Bremen werde „sich nicht erpressen lassen“ von der niedersächsischen Seite.
Man werde auch weiter hart für die bremischen Interessen verhandeln. Wenn Bremen darauf beharre, die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge nicht durch Einsparungen, sondern über zusätzliche Neuverschuldung zu finanzieren , dann deswegen, damit die Flüchtlinge nicht „ausgespielt werden gegen die Menschen in Bremen und Bremerhaven“, so Sieling.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!