Bremer Bundestagsabgeordnete im Gespräch: „Es gibt sie endlich“
Sarah Ryglewski, ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete der SPD und jetziges Bundestagsmitglied, über die Finanztransaktionssteuer und künftige Länderfinanzen.
taz: Frau Ryglewski, als Nachfolgerin von Carsten Sieling im Bundestag haben Sie auch seinen Sitz im Finanzausschuss übernommen. Zuvor haben Sie sich vor allem mit Vebraucherschutzthemen befasst. Wie schwer – oder leicht – fiel Ihnen die Einarbeitung in die Finanzpolitik?
Sarah Ryglewski: Grundsätzlich bin ich gut eingestiegen. Und gerade bei der Finanztransaktionssteuer fiel es mir sehr leicht. Wir haben ja als Bremer SPD vorher schon intensiv im NGO- und gewerkschaftlichen Bereich darüber diskutiert. Als es um die Zustimmung zum Fiskalpakt ging, haben wir das von der Einführung der Finanztransaktionssteuer abhängig gemacht und die Finanztransaktionssteuer im Koalitionsvertrag mit der Union verankert.
Die EU-Finanzminister haben sich letzte Woche geeinigt, die Steuer soll kommen. Sind Sie zufrieden?
Ja. Das Wichtigste ist: Es gibt sie endlich. Wir haben lange dafür gekämpft. Rot-Rot-Grün ist ja momentan in aller Munde, und hier muss man sagen: Beim Ziel einer Finanztransaktionssteuer haben wir gemeinsam wirklich Druck auf den zögerlichen Bundesfinanzminister gemacht und waren dabei erfolgreich. Außerdem: Wir reden immer darüber, dass die EU nicht mehr handlungsfähig sei, aber hier sieht man mal, dass es klappt!
Bislang machen aber nur zehn EU-Länder mit, wie wollen Sie die anderen kriegen?
33, hat an der Uni Bremen Politikwissenschaften und Geografie studiert und war von 2011 bis 2015 Bürgerschaftsabgeordnete der SPD. Seit 2015 ist sie Mitglied des Bundestages, im Finanz- und Petitionsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Beirat Finanzmarktwächter.
Wichtig ist erst einmal, dass die Willigen nicht bestraft werden. Das heißt, der Prozess bleibt offen, es können sich jederzeit weitere Länder dem Vorhaben anschließen. Der beste Weg, den anderen zu zeigen, dass es klappt, ist, es zu machen.
Was versprechen Sie sich von der Finanztransaktionssteuer?
Die Steuer sieht einmal das sogenannte „Residenzprinzip“ vor. Das bedeutet, der Handel wird dort besteuert, wo die Bank ihre Zentrale hat. Kombiniert wird das mit dem „Ausgabeprinzip“: Das wiederum heißt, dass etwa der Handel mit deutschen Papieren auch in Deutschland besteuert wird. Man rechnet dadurch mit Mehreinnahmen durch die Steuer zwischen 18 und 45 Milliarden Euro, das ist eine Menge Geld.
Für jeden Handel mit Aktien und Derivaten wird künftig die Steuer fällig. Wie stark werden damit die Kleinanleger belastet?
Für die Kleinanleger ist das kein Problem. Sehen Sie: Der Handel mit Aktien wird mit 0,1 Prozent besteuert, der mit Derivaten mit 0,01 Prozent. Ein Kleinanleger, der seine 20 Telekomaktien hat, wird das kaum wahrnehmen. Anders sieht es eben beim sogenannten Hochfrequenzhandel aus, bei dem in kürzester Zeit Papiere gekauft und wieder verkauft werden: Der wird durch die Steuer nämlich unattraktiv. Mit der Steuer werden also die Verursacher der Krise an den Kosten beteiligt, und das ist gut.
Eine weitere und besonders für Bremen wichtige Einigung gab es ebenfalls in der letzten Woche: Die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs.
Ja, die Verhandlungen haben sich sehr hingezogen, aber jetzt besteht endlich Planungssicherheit: Wir wissen, wie es ab 2020 weitergeht.
Bremen erhält ab 2020 jährlich 487 Millionen Euro.
Wir bekommen pro Kopf am meisten Geld, Konsens ist, dass Bremen strukturelle Probleme hat. Es wurde auch nie infrage gestellt, dass Bremen besondere Unterstützung braucht. Auch wenn noch ein Großteil des Finanzausgleichs unter den Ländern verteilt wird, gibt es faktisch eine Aufweichung von „Geber- und Nehmerländern“. Das sind ja übrigens auch keine „Almosen“, die Bremen bekommt, es dient dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse, das sowohl Bund als auch Länder verfolgen.
Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?
Ich finde es insbesondere wichtig, dass die Belange großer Städte auch auf Bundesebene noch stärker vertreten werden. Themen wie Langzeitarbeitslosigkeit und Wohnungsbau sind in Großstädten drängender als in kleineren Kommunen, und da brauchen wir noch mehr politische Zusammenarbeit.
Wie wollen Sie das angehen?
Es gibt in der SPD-Bundestagsfraktion bereits die „Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik“, die für dieses Thema eine wichtige Rolle spielt. Die besonderen Bedarfe von Großstädten würde ich im Rahmen eines Arbeitskreises diskutieren wollen, der an die Arbeitsgemeinschaft angedockt ist.
Inwiefern helfen Ihnen bei Ihrer Arbeit die Erfahrungen aus der Bremer Bürgerschaft?
Als Bremer Bürgerschaftsabgeordnete sitzt man ja sowohl im Landtag als auch im Stadtparlament. Insofern kann ich jetzt, seit ich im Bundestag bin, sagen: Ich bin auf allen drei Ebenen des deutschen Parlamentarismus zu Hause. Es hilft bei der politischen Arbeit schon sehr, wenn man aus der Praxis weiß, wie die drei Ebenen miteinander verflochten sind und wie die Umsetzung vor Ort erfolgt.
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