Bremens Bildungsbehörde und Queerness: Keine Zeit für queere Fragen
Der queerpolitische Beirat bekommt von der Bildungsbehörde kaum Antworten auf seine Fragen. Das Ressort hat niemanden, der wirklich zuständig ist.
Das Land Bremen hat 2015 einen Aktionsplan gegen Homo-, Trans*- und Interphobie verabschiedet, dessen Ziel es war, die Diskriminierung von queeren Menschen in allen Lebensbereichen abzubauen. 2018 war ein erster Bericht zur Umsetzung des Plans veröffentlicht worden. Weil das Thema aber seitdem nur unregelmäßig auf der Tagesordnung stand, wurde 2019 von der Bürgerschaft der queerpolitische Beirat eingerichtet, der die Umsetzung des Aktionsplans begleiten und beratend unterstützen soll.
Bei der vierten Sitzung am Freitag standen die Themen Behinderung und Bildung auf der Tagesordnung. Der Beirat hatte zu beiden Themen Anfragen an die zuständigen Ressorts gestellt. Der Unterschied in der Beantwortung der Fragen war groß, sagt Kai Wargalla, die queerpolitische Sprecherin der Grünen und stellvertretende Sprecherin des Beirats. Während das Sozialressort die Fragen zum Thema Behinderung gewissenhaft beantwortet hat, herrscht in der Antwort der senatorischen Behörde für Bildung vor allem viel Leere.
In dem Dokument, das letzte Woche erschienen ist, fehlen reihenweise Antworten komplett. Andere Fragen sind sehr knapp beantwortet. Auf die konkrete Frage nach Fortbildungen für Vertrauenslehrer*innen heißt es beispielsweise nur, dass „Diversity als Querschnittsthema in allen Fortbildungsangeboten durchgängig abgebildet“ sei. Auf die Frage, inwieweit queere Themen in den Unterrichtsmaterialien aller Fächer behandelt werden, wird nur darauf hingewiesen, dass ein Medienkoffer ausgeliehen werden kann. Im Bereich Trans* und Inter gibt es gar keine Antworten.
Sabine Kurz, Referentin für Schulprogrammarbeit bei der Bildungssenatorin
Wargalla nennt das Dokument eine „Nicht-Antwort“ und eine „Frechheit“ der Bildungsbehörde. Und sie ist sicher: „In anderen Gremien wäre das nicht passiert.“
Für die Abgeordnete ist es angesichts dessen „kein Wunder“, wenn Schüler*innen an Bremer Schulen immer wieder Diskriminierung erleben. Im Herbst letzten Jahres hatte der Fall eines Schülers, der zwischen 2015 und 2016 an der Freien Evangelischen Bekenntnisschule massivem Mobbing und psychischer Gewalt durch Lehrer*innen und Mitschüler*innen ausgesetzt war, für Aufsehen gesorgt. Aber auch an einer staatlichen Schule in Bremen hatte sich ein Klassenlehrer über zwei Jahre geweigert, einen trans* Schüler mit seinem neuen Namen und den richtigen Pronomen anzusprechen (taz berichtete). Wargalla ist sich sicher, dass es in Bremen aufgeschlossene Lehrer*innen gibt, denen ihre queeren Schüler*innen nicht egal sind. Aber wenn die Behörde sie so wenig unterstütze, „dann sind die auf sich allein gestellt“.
Die für den Bericht zuständige Referentin Sabine Kurz zeigt sich in der Sitzung des Beirats am Freitag einsichtig und betroffen: „Es ist, wie es ist und da ist nichts“, sagt sie. Sie beteuert, dass das Thema ihr wichtig sei und räumt ein, dass es in ihrer Verantwortung gewesen wäre, weiter nachzuhaken, aber sie habe es „schlicht nicht geschafft“.
Das Problem ist strukturell. Während die Senatorin für Soziales inzwischen eine Vollzeitstelle für queerpolitische Koordination eingerichtet hat, fehlt eine solche Position im Bildungsressort. Das gesamte Thema „Sexualerziehung“ wurde mit den Themen Sport und Gesundheitserziehung zusammengefasst. Und die dazugehörige Stelle ist schon seit fast einem Jahr vakant.
Um die Situation für Bremer Schüler*innen und Lehrer*innen zu verbessern, fordert Beiratssprecherin Mittelstädt dreierlei: Die Stelle für Schulaufklärung im queeren Zentrum Rat&Tat müsse wieder eingerichtet werden. Zudem bräuchte es dringend eine Stelle zur Koordination queerpolitischer Themen im Bildungsressort. Und „unabhängig vom Beirat muss Bildung weiter mit den Trägern zusammenarbeiten und lernen“.
Die Bildungsbehörde gibt zu, dass der Umsetzungsstand zum Aktionsplan nicht zufriedenstellend ist. „Dies offen einzugestehen, ist klarer Auftrag des hausinternen Qualitätsmanagements“, sagt Sprecherin Annette Kemp. Man denke über einen anderen Zuschnitt und eine andere strukturelle Verankerung der Aufgabe im Ressort nach. Denn: „Das Thema ist zu bedeutend.“ Große Hoffnungen auf eine eigene Stelle für das Gebiet der Queerpolitik macht Kemp aber nicht: „Stellen sind nicht mal eben geschaffen.“
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