Bremen vor dem Spiel gegen Bayern: Werders Auftaktfluch
Werder Bremen geht nach dem hilflosen 0:0 gegen Famagusta zum Auftakt der Champions League ratlos in das richtungsweisende Bundesligaspiel am Samstag in München.
Es sind Szenen wie jene aus der 45. Minute, die symptomatisch sind. Nicht allein für diesen torlosen Champions-League-Auftakt gegen Anorthosis Famagusta, sondern vielmehr für das Bremer Spiel. Claudio Pizarro, den einige, auch Diego, für den "besten Stürmer der Liga" halten, Claudio Pizarro, den das Fachblatt kicker einen Zauberer nannte, entpuppte sich - als Kleinkünstler. Mit einer echten Luftnummer, durchaus spektakulär, fast schon nett anzusehen.
Nach einer Flanke von Daniel Jensen also steht jener Pizarro frei vor dem Tor. Trifft aber noch nicht einmal den Ball. Schade eigentlich, denn zu jenem Zeitpunkt nahm die Begegnung gerade so etwas wie Tempo auf. Claudio Pizarro hatte da allerdings schon zwei klare Torchancen großzügig verschenkt: In der 16. Minute etwa, als er nach einem Pass von Clemens Fritz aus sieben Metern vorbeischoss, und dann noch mal in der 25. Minute. Da hatte er zwar, aus gut acht Metern, wenigstens den Ball getroffen, ja, sogar aufs Tor - und doch direkt in die Arme des Torhüters von Anorthosis Famagusta.
Anorthosis wer? Gewiss, sie waren 13-mal zypriotischer Meister, doch was heißt das schon auf einer fußballarmen Insel? "Unsere Scouts haben Anorthosis sehr gut beobachtet. Sie waren überrascht und angetan", hatte Sportdirektor Klaus Allofs vor dem Spiel gesagt. Da gab es zuletzt ein 3:0 gegen Rapid Wien, einen ebensolchen Sieg gegen Olympiakos Piräus. Da ist ein Europameister von 2004, Dellas mit Namen, oder ein Brasilianer, der auch schon mal bei Real Madrid spielte. Nur nicht zu sehr auf das Klischee vom Außenseiter setzten, sollte das heißen.
Und doch dauerte es fast eine geschlagene Stunde, ehe der übergangsweise zum Nationaltorhüter geadelte Tim Wiese einmal einen Ball halten musste. Werder hatte gefühlte 80 Prozent Ballbesitz, die Statistiker zählten am Ende 26 Torschüsse, und auch Trainer Thomas Schaaf erkannte "fünf oder sechs große Chancen". Das nichts Zählbares herauskam, lag indes nicht allein an Pizarro. Sondern auch an Hugo Almeida, der zehn Minuten vor Schluss - mustergültig vom emsigen Mesut Özil bedient - den Ball beherzt am Tor vorbeischoss. Oder an Boubacar Sanogo, der ihn wenig später ebenso kläglich in den Abendhimmel ballerte. Da möchte man Markus Rosenberg fast schon lobend hervorheben - er konnte wenigstens zwei Abseitstore für sich verbuchen. Famagusta mühte sich derweil redlich, mit elf Mann hinten drin zu stehen und nur ja kein Tempo aufkommen zu lassen. Die Werderaner rannten, ähnlich wie zuletzt gegen Energie Cottbus, gegen eine mit Zähnen und Klauen verteidigende Mannschaft an - um schließlich an ihr zu verzweifeln. Und so hatten die Gäste auch erst gegen Ende des Spiels dem bremischen Einbahnstraßen-Fußball etwas entgegenzusetzen - ansatzweise. Und die Serie der Bremer, sie hielt: Zum vierten Mal hintereinander konnte Werder sein Auftaktspiel in der "Königsklasse" des Fußballs nicht gewinnen.
Vier Tage vor dem Bundesligaspiel bei den Bayern bleibt damit ein Remis als peinliche Pleite. Sie könnte Mut machen. Nicht unbedingt denen, die hoffen, Werder Bremen möge alsbald über den Status eines europäischen Schwellenclubs hinausreifen. Aber jenen, die noch an die pädagogische Kraft der Niederlage glauben, Manager Klaus Allofs zum Beispiel: "Ich hoffe, dass die Mannschaft enttäuscht ist", sagte er nach dem Spiel. Und verwies darauf, dass man ja auch aus dem 0:3-Fiasko gegen Gladbach gelernt habe. "Vielleicht kann diese Partie das Gleiche bewirken." Und schließlich haben sie selbst in der Champions League gegen die Großen oft Großes geleistet.
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