: Bremen goes Hollywood
■ Unser Filmkritiker suchte wieder auf der Berlinale eifrig nach dem Bremen-Bezug / Die wilden Coen-Brüder machen Werbung für Beck's
Bald weiß man auch in Hollywood um das kleine deutsche Städtchen namens Bremen! Allerdings muß man ganz genau hinhören, um es in einem Dialog des Films „The Big Lebowski“der Coen-Brothers zu entdecken, der vor einigen Tagen auf der Berlinale gezeigt wurde. Ein paar teutonische Bösewichte, die wie ein Sampling aus Skinheads, Avantgardekünstler und Lederfetischisten aussehen, überall anders auf der Welt als eine völlig unglaubwürdige Zusammenstellug von Klischees gelten würden, aber in Los Angeles völlig normal und realistisch wirken – diese dummdreisten Teutonen also unterhalten sich, bevor sie ihr dressiertes Kampf-Frettchen auf den Filmhelden Jeff Bridges hetzen, in einem Cafe in L.A. darüber, wie gut das Bier in einer Kneipe in BREMEN geschmeckt hat. Ist das nicht aufregend? Nun müssen natürlich alle lokalpatriotischen Cineasten ab dem 19. März unbedingt „The Big Lebowsky“ansehen, der nebenbei bemerkt übrigens auch noch extrem witzig und originell ist: so etwas wie „Oblomow meets Philip Marlowe“.
Ansonsten waren Wildeshausen und Delmenhorst öfter auf der Leinwand zu sehen als unsere schöne Hansestadt. Der Dokumentarfilm „Und vor mir die Sterne“, der im „Forum des jungen Films“gezeigt wurde, beschreibt den Lebensweg von Renate Kern. Die Schlagersängerin aus Wildeshausen feierte in den 60ern Erfolge mit Hits wie „Du mußt mit den Wimpern klimpern“, versuchte in den 80ern ein Comeback als die deutsche Countrysängerin Nancy Wood, blieb aber im Grunde immer in der niedersächsischen Provinz stecken und nahm sich 1991 bei Delmenhorst das Leben. Kollegen, Fans und Verwandte beschreiben ihren Auf- und Abstieg, und dabei entsteht ein sehr genaues und exemplarisches Bild von einer Frau, die zwar das Talent, aber nicht das dicke Fell hatte, um im deutschen Showgeschäft zu überleben. Der Film ist komisch, berührend und manchmal schon fast böswillig. Etwa wenn die Filmemacher einfach die Kamera laufen lassen, während zwei Fans oder Dieter Thomas Heck sich zum Narren machen. In den Zeiten, die den Erfolg eines Guildo Horn möglich machen, müßte dieser Film schnell Kultstatus erringen.
Die professionellen Filmgucker aus Bremen trafen sich dem Metier entsprechend an verschiedenen Orten: Die Journalisten hetzten auf dem Trampelpfad zwischen Zoopalast und Pressezentrum im Interconti von Film zur Pressekonferenz und wieder zurück zum nächsten Film. Die Kinobetreiber waren im Hotel oder dem Filmmarkt zu sehen, wo sie mehr über die Partys der Studios als über die Filme zu berichten wußten. Und die Leute vom Kommunalkino sah man meist in den Foyers des Delphi oder der Akademie der Künste, wo das „anspruchsvollere“Publikum das Programm vom „Forum des jungen Films“goutierte. Welch ein Privileg solch eine Akkredierung war, trotz all der Reizüberflutung und den schlechten Filmen, die man ja auch ertragen mußte, wurde einem erst bewußt, als man abseits von den großen Events bei der Retrospektive einen arbeitslosen Filmbegeisterten aus Bremen-Nord traf. Dieser war mit zwei Freunden zu den Filmfestspielen gefahren, schlief in der Jugendherberge, wartete stundenlang vor dem Kartenschalter, zahlte brav für jeden Eintritt und bekam nur wenige von den Filmen auf seinem Wunschprogramm zu sehen, weil die Karten für die begehrten Filme ganz schnell weg waren. Bei all dem war seine gute Laune beschämend.
Am Montag morgen konnte man dann noch hören, wie die Nachrichtenredaktion von Radio Bremen es fertigbrachte, selbst im globalen Dorf peinlich provinziell zu erscheinen: Offensichtlich war man dort völlig überrascht darüber, daß der brasilianische Film „Central do Brasil“den goldenen Bären gewonnen hatte. Darauf war keiner vorbereitet, und da sie für ihre „News“unbedingt ein „soundbite“haben mußten, suchten sie wohl unter den Schlagwörtern „Brasilien“, „Film“und „Berlin“, fanden ein paar Sätze „O-Ton“und sendeten stolz eine Kurzkritik des brasilianischen Wettbewerbfilms vom letzten Jahr „O que e isso, Companheiro“. Man war also wieder zu Hause!
Wilfried Hippen
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