Breiningers Dschihad-Memoiren: Das Tagebuch des deutschen Talib
Es ist das Dokument einer Blitzradikalisierung: Auf 108 Seiten wird geschildert, wie der Islamist Breininger in wenigen Monaten zum Staatsfeind Nummer eins wird. Eine bizarre Karriere, die wohl mit dem Tod endete.
BERLIN taz | Es ist ein bemerkenswertes Dokument, das Dschihadisten da ins Internet gestellt haben. "Mein Weg nach Jannah", ist es überschrieben. Mein Weg ins Paradies. Es sind die angeblichen Memoiren des deutschen Islamisten Eric Breininger, der vor zweieinhalb Jahren in den heiligen Krieg zog und nun vergangene Woche als "Abdulgaffar der Deutsche" in Nordwasiristan im Alter von 22 Jahren von pakistanischen Sicherheitskräften getötet worden sein soll.
Noch ist nicht offiziell bestätigt, dass das Tagebuch des saarländischen Talib echt ist. Das Dokument wurde am Mittwoch im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin untersucht. Doch aus Sicherheitskreisen war von mehreren Seiten übereinstimmend zu hören: "Wir gehen davon aus, dass es authentisch ist." Fraglich sei aber, ob Breininger den ganzen Text selbst verfasst habe oder nicht an der ein oder anderen Stelle einen Ghostwriter mit eingespannt hat.
"Es gibt nichts, was mich zweifeln lässt, dass das Dokument echt ist", sagte Terrorexperte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Die 108 Seiten eröffnen tiefe Einblicke, wie rasch sich junge Konvertiten radikalisieren können. Und sie sind ein erschreckendes Zeugnis, wie Zufälle einen anfälligen Jungen in die islamistische Szene stolpern und ihn wenig später im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet landen lassen. Bei Breininger war es eine Blitzradikalisierung.
Es ist ein Wandel von einem Jugendlichen, der bei Borussia Neunkirchen Fußball spielt und sich die Haare gelt. Der nach der Scheidung seiner Eltern bei der Mutter aufwächst, gelegentlich kifft und als labil gilt. Einer, der "sich immer leicht beeinflussen ließ", wie seine Schwester einmal sagte. Innerhalb weniger Monate wird er zum Staatsfeind Nummer eins, der mit internationalem Haftbefehl gesucht wird und vor dem auf Militärbasen in Afghanistan gewarnt wird.
Am Anfang seiner Memoiren schildert Breininger - oder sein Ghostwriter -, wie er im Saarland für eine Logistikfirma jobbt. Im Dezember 2006 war das. "Ich lebte genau das Leben, welches sich ein Jugendlicher in der westlichen Welt wünscht zu leben", heißt es in dem Text. "Jedoch konnte ich mir den Sinn des Seins nicht erklären."
Er lernt einen muslimischen Kollegen kennen. Der bringt ihn mit Daniel Schneider, einem der inzwischen verurteilten Sauerlandterroristen, und dem Deutschlibanesen Hussein al-Mallah zusammen, mit dem er später in den heiligen Krieg ziehen wird.
Kurz darauf konvertiert Breininger. Er und Schneider wohnen zusammen in Saarbrücken, al-Mallah kommt oft zu Besuch. "Ich war erst vier Monate im Islam, dennoch kannte ich meine Pflicht", heißt es in dem jetzt aufgetauchten Text. "Ich wollte in den Dschihad."
Die nun folgende Schilderung zeigt, wie naiv Breininger in den Dschihad zog. Noch kurz vor der Ausreise überlegt er, wohin er gehen soll. Er erwägt Algerien, Syrien, landet dann in Ägypten - zunächst ausgerechnet in der Touristenhochburg Hurghada. Auf einen Zettel hat ihm jemand die Adresse einer Arabischschule in Kairo geschrieben.
Zwei Tage nachdem Breininger in Ägypten ist, am 4. September 2007, fliegt in Oberschledorn die Sauerlandgruppe auf. Breininger will davon in einem Café erfahren haben. "Ich stieß auf eine Internetseite, die berichtigte das Abd al-Malik, Talha und Abdullah festgenommen wurden", heißt es wörtlich in murksigem Deutsch. Gemeint sind die drei Sauerlandattentäter. Breininger seien "die Tränen gekommen", weil die Brüder "in den Händen der Ungläubigen sind".
Mit seinem anderen Kumpel aus dem Saarland, al-Mallah, der wenig später nach Ägypten kommt, will Breininger über Iran ins pakistanische Wasiristan reisen. Doch auch hier gibt es zunächst Probleme. Die beiden lösen ein falsches Flugticket ins saudi-arabische Riad, was ihnen erst nach dem Kauf auffällt. Schließlich gelangen die beiden aber doch an die Grenze zu Pakistan und überqueren diese, angeblich verhüllt in Burkas.
Das dilettantische Vorgehen erinnert einen hochrangigen Sicherheitsbeamten an das der Sauerlandgruppe. "Man will in den Dschihad, wo genau man letzten Endes landet, ist zweit- oder drittrangig", sagte er der taz.
Schließlich kommt Breininger laut der Memoiren in ein Ausbildungslager der Islamischen Dschihad-Union (IJU) im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Sein Kumpel al-Mallah verlässt das Lager aber wieder, warum, das steht in dem Text nicht. Ein Detail, das bisher unbekannt war. Die deutschen Behörden hatten nach den beiden immer im Doppelpack gefahndet.
Breininger fiel der Weggang seines Waffenbruders offenbar schwer. "Ich war nach einer Weile sehr betrübt, da ich mich mit niemandem austauschen konnte", heißt es in dem Text. "Mir blieb nichts anderes übrig, als geduldig zu bleiben und die Zähne zusammenzubeißen und die Ausbildung durchzuhalten."
Angeblich verbrachte Breininger auch eine Zeit lang in einem "Haus der Selbstmordattentäter". Zunächst seien sie dort zu viert gewesen, heißt es, zwei sprengten sich angeblich bald in die Luft. "Diese Brüder waren wie Perlen", heißt es schwärmerisch. Danach sei die Anzahl der Bewohner deutlich angestiegen. "Viele Brüder wollten ihren Beispielen folgen."
Breininger wurde laut der Schilderung auch an schweren Waffen ausgebildet, die Rede ist von Schulungen im Minenbau und Schießübungen mit der Kalaschnikow. Mit einem solchen Gewehr prahlte Breininger auch in Drohvideos, die in den vergangenen Jahren von ihm aufgetaucht sind.
Auch von angeblichen Angriffen, unter anderem auf eine US-Basis, ist in den Memoiren die Rede, wobei auch Amerikaner "in die Hölle geschickt" worden seien. Nachprüfen ließ sich das am Mittwoch nicht. Allerdings decken sich viele der anderen Schilderungen in den Memoiren weitgehend mit dem, was Sicherheitsexperten bisher über Breiningers Biografie wussten.
Der Text hellt zudem auf, warum Breininger zuletzt nicht mehr in Videos der IJU auftauchte, sondern im Namen der "Deutschen Taliban Mudschahidin" agierte. Breininger sei froh gewesen, als er hörte, dass die IJU drei weitere Deutsche ausgebildet habe. Die wollten aber lieber für die Taliban kämpfen, die ihnen erlaubten, eine Untergruppe zu bilden: die Deutschen Taliban Mudschahidin.
Die Gruppe wachse stetig, heißt es in typischer Propaganda, aber mit Spenden aus Deutschland sehe es schlecht aus: "Wenn die Geschwister nur einen Döner weniger die Woche kaufen würden, könnte man mit diesem Geld beinahe 20 Sniper-Kugeln kaufen, um damit die Kuffar [die Ungläubigen; d. Red.] zu bekämpfen."
Breininger selbst hoffte laut der Memoiren, dass "auch unverheiratete Schwestern" zu ihnen kommen würden, denn es gebe viele Brüder, die sich wünschten, Familien zu gründen. Die Kinder, heißt es, sollen "zu einer ganz besonderen Generationen von Terroristen werden, die in keiner Datenbank und keiner Liste der Feinde Allahs erfasst sind".
Im Nachwort kommen Breiningers Kampfgefährten zu Wort, die die Memoiren offenbar fertiggestellt haben. Auf der letzten Seite folgt ein Foto der angeblichen Leiche Breiningers mit deformiertem Gesicht. Offiziell ist sein Tod nach wie vor nicht bestätigt.
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