Brause-Unternehmen geschluckt: Dr. Oetker kauft Bionade
Der Lebensmittelmulti Oetker-Gruppe hat die Mehrheit am Bio-Brause-Hersteller Bionade gekauft und ebnet den Weg zur Internationalisierung der Marke. Gutes Image adé?
So ein richtiges Familienunternehmen ist Bionade zwar schon lange nicht mehr, doch das Bild einer kleinen, sympatischen Underdog-Firma hielt sich – dank geschickter Imagepflege und jüngerhaften Anhängern – hartnäckig. Damit dürfte es nun endgültig vorbei sein. Ab sofort mischt in der Limo-Firma aus dem 3.000-Einwohner-Örtchen Ostheim im bayerischen Biosphärenreservat Rhön ein Großkonzern mit: Die zum Oetker-Konzern gehörende Radeberger-Gruppe übernimmt mehr als 51 Prozent des Bio-Brause-Herstellers. Laut einem bericht des Manager Magazins soll Konzernchef August Oetker persönlich das Geschäft im Hintergrund eingefädelt haben.
Idee: Der Braumeister Dieter Leipold von der Brauerei Peter im fränkischen Ostheim vor der Rhön, im Bermudadreieck zwischen Bayern, Hessen und Thüringen, erfand 1995 das "biologische Erfrischungsgetränk".
Umsetzung: Es entsteht durch Fermentation von Malz; der Malzzucker wird nicht - wie beim Bier - in Alkohol, sondern in Glukonsäure umgewandelt. Die Naturbrause ist eine völlig neue Getränkegattung.
Macher: Die Brüder Peter und Stephan Kowalsky, deren Mutter Sigrid Peter-Leipold (Inhaberin der Brauerei Peter) und ihr Mann Dieter Leipold (Bionade-Erfinder)
Seit ihrer Erfindung im Jahr 1995 hatte die aus Malz und Wasser – in den Geschmacksrichtungen Kräuter, Orange-Ingwer, Litschi, Holunder und Quitte – gebraute Bio-Limo einen Siegeszug durch die Bars, Clubs und Cafés deutscher Groß- und Kleinstädte gehalten. Und wie es immer so ist, wenn etwas Kleines ganz groß wird und plötzlich von allen gemocht wird, wurde das längst nicht von allen Bionade-Fans goutiert. Als "Bionade Biedermeier" betitelte das Zeit-Magazin 2007 hämisch eine Generation von Berliner-Öko-Bürgerlichen. Und die Bionade wurde zum Symbol einer heilen, gentrifizierten Bullerbü-Welt.
Zuletzt hatte der Konzern Anfang September dieses Jahres Kunden mit einer Preiserhöhung um mehr als 30 Prozent verschreckt. Im Vorjahr hatten Gerüchte um einen Verkauf an Coca Cola immer wieder für Aufruhr unter Bionade-Jüngern gesorgt. Schließlich ist das Image der von Coca Cola produzierten Erfrischungsgetränke genau das Gegenteil von dem, für das Bionade steht.
Und jetzt hat also Radeberger/Oetker das Anteilspaket von 51 Prozent im Wert von gut 20 Millionen Euro gekauft, das seit 2002 von der Egon Schindel Holding GmbH (ESH) gehalten wurde. Die ESH, der unter anderen die Mineralbrunnen Rhönsprudel, Bad Liebenwerda und Spreequell gehören, war 2002 bei Bionade eingestiegen. Nach eigenen Angaben will sich die ESH jetzt auf seine "Stärken" Mineralwasser, Schorlen und Fructsäfte konzentrieren und bezeichnet den Verauf der Bionade-Anteile als "wichtige neue Phase": die Internationalisierung des Konzerns.
Bionade-GmbH-Geschäftsführer Manfred Ziegler wies die Vermutung im Gespräch mit der taz am Freitag zurück, die Anteile wurden aus Finanznot verkauft. "Wir haben eine Eigenkapitalquote von 31 Prozent. Wir schreiben im Augenblick schwarze Zahlen. Der Verkauf der Bionade-Anteile stärkt unsere Finanzlage." Seine Gläubigerbanken hätten keinen Druck auf RhönSprudel ausgeübt, die Anteile zu verkaufen, die gründe seien "rein inhaltlich".
Schluss also mit dem wohlig-reinen Gewissen, beim Bionade-Schlürfen nicht nur gesund und irgendwie "bio" zu konsumieren, sondern auch ein nettes, kleines Unternehmen zu unterstützen. Ab jetzt will der Konzern die ganz große Bühne bespielen.
Mitarbeit: Jost Maurin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos