Brasilien gewinnt gegen Australien: Oh Marta, where art thou?
So richtig verdient ist der 1:0 Sieg der Brasilianerinnen nicht. Nach dem Spiel geben sie sich dennoch wie Heldinnen. Aber auch die „Matildas“ sind stolz.
BERLIN/MÖNCHENGLADBACH taz | Ein Spiel abhaken. Wie macht man das eigentlich? Die Brasilianerinnen wissen es. Fürchterlich anzuschauen war ihr erstes Spiel gegen den Außenseiter Australien. Aber nach dem Abpfiff der Schiedsrichterin war das schon vergessen. Die Torhüterin Andreia riss jubelnd die Arme hoch. Brasilien hatte ja 1:0 gewonnen. Und wenig später tanzte und sang sich das ganze Team mit Sambatrommeln durch den Medienkorridor.
Allen voran Marta, die Spielerin, um die sich alles dreht, an der Triangel. Plötzlich harmonierten sie wie ein gut geübtes Orchester. Für ein paar Augenblicke ließ sie ihr Instrument ruhen, um Fragen zu beantworten. „Wir haben drei Punkte“, sagte sie, „und das ist gut so.“ Ob sie Klaus Wowereit kennt?
Doch so entspannt wie nach dem Spiel waren sie auf dem Platz nicht. 25 Minuten sind gespielt in Mönchengladbach und Kleiton Lima kratzt sich am Kinn. Der Trainer der Favoritinnen aus Südamerika ist unzufrieden mit dem Spiel seiner Mannschaft, die fahrig ist, ideenlos, ohne Schwung und Esprit.
Brasilien - Australien 1:0 (0:0)
Brasilien: Andreia - Aline, Daiane, Erika - Fabiana, Formiga (84. Francielle), Ester, Maurine - Cristiane, Rosana, Marta
Australien: Barbieri - Foord, Uzunlar, Carroll, Kellond-Knight - van Egmond (61. Shipard), McCallum - Butt (85. Polkinghorne), Garriock - Simon (79. Kerr), de Vanna
Schiedsrichterin: Palmqvist (Schweden)
Zuschauer: 27.258
Tor: 1:0 Rosana (54.)
Gelbe Karten: - / -
Beste Spielerinnen: Rosana, Aline / de Vanna, Simon
Kaum einmal sind gelungene Kombinationen zu sehen, ein ums andere Mal wird der Ball aus dem Mittelfeld lang in die verwaiste Spitze gespielt, wo er zur leichten Beute der australischen Viererkette um Kim Carroll und Servet Uzunlar wird. Auch der Weltfußballerin Marta gelingen nicht viel mehr als ein, zwei schöne Dribblings – aber ohne erfolgreichen Abschluss. Insgesamt zu unstrukturiert und behäbig wirkt die Selecao, sie ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Turnier angekommen.
Ganz anders die „Matildas“ aus Australien, die sich vom ersten Moment an hellwach und gut organisiert zeigen. Die vom schottischen Trainer Trainer Tom Sermanni im klassischen 4-4-2 aufgestellte Mannschaft spielt so schnörkellos und klar, wie es das System vorgibt. Etwas bieder vielleicht, aber durchdacht und mit viel Einsatz. Beschränkten sie sich in den ersten zwanzig Minuten der Partie noch vornehmlich darauf defensiv gut zu stehen und „so wenig Tore wie möglich“ (Trainer Tom Sermanni vor dem Spiel) zu kassieren, so wagen sie sich anschließend immer öfter nach vorne.
Entkrampfung ab der 54. Minute
Es sieht alles gut aus, warum also nicht etwas mutiger werden? Vorne lauert die agile Lisa De Vanna, die jedem Ball nachgeht und die brasilianische Dreierkette immer wieder vor Probleme stellt. Kein Wunder eigentlich. Sehr antik wirkt dieser Defensivverbund mit einer echten Libera. Australiens Trainer Tom Sermanni grinst, als er auf dieses ultrakonservative taktische Modell angesporchen wird und sagt: „Sie haben das ja gut gemacht.“ Sermanni ist wirklich ein freundlicher Mann.
Denn im Unterschied zu den Brasilianerinnen hatte sein Team wenigstens eine Strategie. Und so entwickelt sich das Spiel in der ersten Halbzeit immer mehr zu einer Überraschung: Es sind die Australierinnen, die mehr Ballbesitz und mehr Torchancen haben, die dominanter agieren und näher am Führungstor sind.
Das entscheidende Tor schießen in der zweiten Halbzeit dann aber doch die Favoritinnen aus Brasilien: In der 54. Minute setzt sich Rosana im Strafraum kraftvoll und entschlossen durch und zieht aus 13 Metern wuchtig mit links ab. Der Ball landet im rechten Toreck, Melissa Barbieri im australischen Tor ist chancenlos. Kleiton Lima schaut nun etwas gelöster, die Gesichtszüge entspannen sich.
Richtig überzeugen können die Brasilianerinnen aber auch in der Folge nicht, Chancen bleiben Mangelware, sie begnügen sich damit das Spiel nun im Griff zu haben.
Und Marta? Ist weiterhin kaum zu sehen. Aufregung kommt erst wieder in der Schlussphase auf, als die Matildas noch einmal alle Kräfte mobilisieren um doch noch zum verdienten Ausgleich zu kommen. Aber die Versuche von Lisa De Vanna (75.), Heather Garriock (77.) und wieder De Vanna (87.) sind zu ungenau und so bleibt es beim 1:0 des Mitfavoriten auf den WM-Titel. Und nun, erklärt Marta an der Triangel, werde gefeiert. Aber natürlich nicht zu viel.
Auch die Australierinnen sind sehr zufrieden und zeigten sich trotz der Niederlage selbstbewusst. Die Torhüterin Melissa Barbieri erklärt: „Wir sind nicht elf, sondern 21 Spielerinnen, die Fußball spielen können. Da greift ihr schottischer Trainer, der neben ihr sitzt dann doch korrigierend ein. Sermani sagt: „Das stimmt nicht ganz. Wir haben 18 Spielerinnen, die Fußball spielen können, und drei Torhüterinnen, die glauben, dass sie Fußball spielen können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen