Brandenburg stillgelegt: Die Bahn macht sich vom Acker
Das Unternehmen verzögert den lang geplanten Ausbau der Strecke Berlin-Cottbus. Der Grund ist die Teilprivatisierung der Bahn, sagen SPD und Kundenverbände.
Cottbus bleibt weit draußen. Die Zugfahrt dorthin dauert vom Berliner Hauptbahnhof eine Stunde und 42 Minuten. An dem Schneckentempo wird sich sobald auch nichts ändern. Der Ausbau dieser Bahnstrecke verzögert sich nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums auf unbestimmte Zeit. Denn die Deutsche Bahn will, entgegen allen früheren Zusagen, die Trasse vorerst nicht komplett ausbauen. Stattdessen wird lediglich der 28 Kilometer lange Teilabschnitt zwischen Cottbus und Lübbenau modernisiert und im Zuge dessen ab dem 23. Juni für sechs Monate komplett gesperrt. Ein Beispiel, das in Zukunft Schule machen dürfte, fürchten Bahnverbände und Politiker.
Etwa der Brandenburger Infrastrukturminister Reinold Dellmann (SPD). Mit Blick auf ihren Gang an die Börse nehme die Bahn bewusst in Kauf, so Dellmann, "dass wichtige Teile des Landes Brandenburg weiterhin keine akzeptable Eisenbahnverbindung haben". Im Herbst soll laut einem Bundestagsbeschluss von Ende Mai die Transportsparte der staatseigenen Bahn an die Börse gebracht werden. Private Investoren dürfen sich daran dann mit 24,9 Prozent beteiligen.
Auch der Bahnkundenverband Berlin-Brandenburg geht davon aus, dass der Börsengang die Infrastrukturpolitik der Bahn beeinflusse, und übt scharfe Kritik an dem Unternehmen. "In die Streckenqualität wird weniger investiert, wie man am Fall Cottbus sieht", sagt der Vorsitzende Frank Böhnke. Er sieht insbesondere das Nebenstreckennetz bedroht. Denn Investoren seien vor allem am Ausbau der profitableren Fernverkehrsstrecken interessiert. Der verschobene Ausbau der Verbindung zwischen Berlin und Cottbus habe deswegen modellhaften Charakter: "Das hier ist erst der Anfang", ist sich Böhnke sicher.
Dabei lassen jetzt schon Pünktlichkeit und Zustand des Schienennetzes in Berlin und Brandenburg zu wünschen übrig. Zu diesem Ergebnis kam die jüngste Qualitätsbilanz des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB). Auf 16 Prozent des Netzes könne die vorgesehene Streckengeschwindigkeit nicht erreicht werden. Auch unzureichendes Baustellenmanagement und die mangelnde Instandsetzung des Netzes seien ein Grund für die Unpünktlichkeit der Züge. Obwohl die Analyse des VBB aus dem Jahr 2007 ist, geht der Verbund nicht von signifikanten Veränderungen aus. "Es dürfte sich die Waage halten zwischen Strecken, die seitdem verbessert wurden, und denen, die noch schlechter geworden sind", erklärt VBB-Sprecher Matthias Stoffregen.
Die Bahn nimmt die Kritik nicht an. "Wir investieren dieses Jahr 345 Millionen in das Schienennetz von Berlin und Brandenburg", sagt Bahnsprecher Burkhard Ahlert. Er verweist auf die Baumaßnahmen am Berliner Ostkreuz und auf der Strecke nach Rostock. Auch die Modernisierung der Trasse Berlin-Cottbus sei im Interesse der Bahn. Für das erste Stück zwischen Cottbus und Lübbenau sei die Finanzierung geregelt, doch für den weiteren Ausbau gäbe es nicht genügend Finanzmittel des Bundes. Die Teilprivatisierung der Bahn ist für Ahlert die Lösung des Ganzen, nicht das Problem: "Durch den Börsengang kommt neues Geld in die Bundeskasse", sagt er.
Das Land Brandenburg hatte bereits 5,5 Millionen Euro Planungskosten für den gesamten Streckenausbau zwischen Berlin und Cottbus vorfinanziert. 2011 sollte er komplett abgeschlossen werden. Dies sei vertraglich vereinbart worden, sagt Infrastrukturminister Dellmann. Die Fahrtzeit vom Berliner Hauptbahnhof nach Cottbus sollte sich auf 63 Minuten verkürzen. Wann es nun so weit sein wird, ist völlig unklar. Immerhin: Bis Ende dieses Jahres will die Deutsche Bahn AG mit den Planungen fertig sein.
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