■ Brandenburg: Sowjetische Gräber und Denkmäler stören: Nachlässiger Umgang mit Geschichte
Wie viele Soldaten der Roten Armee in den Kämpfen an der Oder und um Berlin ums Leben gekommen sind, ist unbekannt. Oft lagen die Leichen über oder unter deutschen Soldaten, bis zur Unkenntlichkeit entstellt. So gut man konnte, trennte man sie in Sieger und Verlierer und begrub sie, die einen in sowjetischen Massengräbern, die anderen in deutschen.
Seit Abzug der Sowjets aus Deutschland hört man nun immer wieder die Nachricht, daß vielen Kommunen die russischen Friedhöfe lästig sind, daß sie Neubaugebieten im Weg stehen und daß man kein Geld habe, sie – wie in den deutsch-sowjetischen Verträgen vereinbart – zu pflegen. Über deutsche Gräber hört man derlei nicht, ein böses Zeichen dafür, daß die Toten national vereinnahmt werden.
52 Jahre nach dem Krieg ist es mehr als an der Zeit, Soldatenfriedhöfe nicht mehr als Ehrenmale zu begreifen, sondern als Denkmale für die Unmenschlichkeit des Krieges. An der Wolga oder in Kursk hat man dies begriffen, in Ostdeutschland vielerorts nicht. Als Mahnung für die Deutschen und aus Respekt vor den Soldaten, die ihr Leben im Kampf gegen die Nationalsozialisten gaben, gehören diese Gräber gehütet. Auch noch in fünfzig Jahren. Kommunen, die sowjetische Friedhöfe der Verwahrlosung preisgeben, sollten vom Land und von der Bundesregierung abgemahnt werden.
Komplizierter ist die Sache mit den Denkmälern. Die Sowjets brachten 1945 nicht nur ihre Ideologie mit, sondern auch ihren Geschmack. X-mal reproduziert, stand die gleiche Statue an der Oder oder an der Elbe, immer als Ersatz für den Kaiser Wilhelm und mitten auf dem Marktplatz. In den meisten ostdeutschen Kommunen, übrigens auch in vielen russischen Gemeinden, verschwanden sie kurz nach Abzug der letzten sowjetischen Soldaten. Zu sehen sind heute meist nur noch leere Sockel. Das Argument, sie würden der Neugestaltung der Marktplätze im Weg stehen, ist verständlich. Hier sollte man den Mut haben, historische und ästhetische Kriterien zu entwickeln, bevor sie Opfer von Vandalismus werden. Denkmäler, die auf wichtige Ereignisse am Ort verweisen, die großen zentralen in Berlin-Treptow und am Brandenburger Tor sowieso, sollten stehenbleiben, die anderen evaluiert werden. Eine Infotafel etwa, die dem Betrachter erklärt, was hier einmal stand, weshalb, wie lange und warum nicht mehr, würde aufklärerischer und ehrlicher wirken als das jetzige Gedruckse um leere Kassen und die Bezugnahme auf Volkes Stimme. Anita Kugler
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