: Brand vor dem Ausbruch
Die deutschen Handballer spielen bei der EM lediglich Remis gegen Frankreich. Schuld daranist nicht die eigene sportliche Leistung, sondern die bekannte Empfänglichkeit der Schiedsrichter
AUS KOBER ERIK EGGERS
Nein, das war nicht Heiner Brand. Normalerweise brummt der Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft ein paar Sätze in die aufgezogenen Mikrofone, wenn ihm etwas nicht gefallen hat. Brand gehört nicht zur Fraktion der Immer-Nachtreter, auch bei der EM in Slowenien fielen seine Analysen bislang gewohnt kühl und sachlich aus. Am Sonntagabend aber, direkt nach dem 29:29 im letzten Vorrundenspiel gegen Frankreich, ließ er jedwede Zurückhaltung fahren. Der Bundestrainer war aufgewühlt und er fand kaum Worte – weil er sich schwer verschaukelt fühlte von den portugiesischen Schiedsrichtern. „Ob es Betrug ist, weiß ich nicht“, sagte der Republik berühmtester Schnauzbartträger, „ich fühle mich aber so.“ Der Punktverlust sei jedenfalls nicht der Mannschaft zuzuschreiben. Es war für seine Verhältnisse ein verbaler Vulkanausbruch.
Was war passiert? Das deutsche Team, das überzeugend gespielt hatte, lag kurz vor Schluss mit drei Toren vorne, dann sprach das Schiri-Gespann Goulao/Macau zwei irritierende Zeitstrafen gegen Zerbe und Petersen aus. Nun, in doppelter Unterzahl, verloren die Deutschen ihre Linie, Ball um Ball – und letztlich den wichtigen Sieg. Schon zuvor hatte es merkwürdige Pfiffe gegeben: Kreisläufer Schwarzer musste wegen eines angeblichen Stürmerfouls gegen Didier Dinart vom Feld. Jener Dinart hatte Schwarzer, der hinterher von seinem „schlimmsten Erlebnis als Handballspieler“ sprach, permanent provoziert: geschlagen, festgehalten und „wie ein Mädchen gekniffen“, wie Kapitän Markus Baur später sagte. „Der Dinart ist ein Schlächter“, fluchte auch Rechtsaußen Florian Kehrmann. Damit nicht genug: Während der Partie erlitt Spielmacher Daniel Stephan nach einem Schlag eine Gehirnerschütterung. Schwarzers Leib war grün und blau, Baur beklagte ein Veilchen. Kurzum: Am Sonntag wurde böser Handballsport geboten, einer von der fiesesten Sorte. Mit all dem hätte Brand sogar noch leben können, Handballer sind hart im Nehmen. Das Problem: Die Unparteiischen richteten am Ende, für alle Fachleute ersichtlich, mit zweierlei Maß. „Immer nur gegen uns“, meinte ein völlig frustrierter Baur.
Der Verantwortliche für die Ansetzung der Schiedsrichter bei dieser EM, der Slowake Jozef Ambrus, hingegen fand „die Leitung über 60 Minuten gesehen in Ordnung“, räumte aber ein: „In der zweiten Halbzeit ist die Leistung der Schiris etwas nach unten gegangen.“ Sie hätten einige Fehler gemacht, sicher, „aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Schiedsrichterpaar vorsätzlich gegen eine Mannschaft pfeift“. Dabei weiß der Technische Delegierte der Europäischen Handball-Féderation genau um den famos schlechten Ruf der Portugiesen, die als ausgesprochen empfänglich gelten.
Stehen ausgerechnet diese Schiedsrichter doch seit der Afrika-Meisterschaft in Angola, bei der Tunesien und Ägypten im Finale das einzige Afrika-Ticket für Athen 2004 ausspielten, unter Bestechungsverdacht. Rund um dieses Finale im letzten Herbst in Luanda war es zu seltsamen Dingen gekommen: Goulao/Macau waren angesetzt und hatten sich bereits warm gelaufen, da wurden sie zur Überraschung aller eine Viertelstunde vor Spielbeginn durch die Slowenen Pozeznik/Repensek ersetzt. Offizieller Grund: Die Ägypter, die eine Wache vor dem Schiedsrichter-Hotel postiert hatten, waren informiert darüber, dass die Portugiesen am Abend zuvor mit dem tunesischen Botschafter um den Block gefahren waren. Zumindest der Bestechungsversuch war offenkundig, Konsequenzen hatte das bis heute nicht. Knapp ein halbes Jahr später „steht der Bericht noch aus“, sagt Ambrus und zuckt verlegen die Schulter.
Zu ändern ist er nun nicht mehr, ebenso wenig die Hypothek von 1:3 Punkten, mit denen das Brand-Team in die Hauptrunde in Ljubljana geht. Tschechien heißt heute der erste von drei Gegnern, „die wir alle schlagen müssen“, danach warten Ungarn und Slowenien. Um das Halbfinale als Gruppenzweiter zu erreichen, sind die Deutschen nun auf Schützenhilfe angewiesen, weil Frankreich und Serbien vor ihnen rangieren. „Aufgeben werden wir nicht“, sagt trotzig Markus Baur und geht davon aus, „dass außer den Franzosen nur wir durchmarschieren“.