Boykott gegen Kino Babylon muss utnerbleiben: Anarchos werden zur Ordnung gerufen
Die anarchistische Gewerkschaft FAU darf laut Arbeitsgericht nicht zum Boykott aufrufen. Tarifverträge dürfen nur mit Verdi geschlossen werden. Das sieht auch Kinochef Thomas Grossmann so.
Das Berliner Arbeitsgericht hat am Mittwoch der anarchosyndikalistischen Freien ArbeiterInnenunion FAU mit einer einstweiligen Verfügung verboten, weiterhin zum Boykott des Kinos Babylon in Mitte aufzurufen. Bei Zuwiderhandeln drohen Ordnungsgelder oder ersatzweise Ordnungshaft.
Mitte Juli haben Beschäftigte des Kinos zum Boykott aufgerufen. Mit dieser Maßnahme wollten sie die Geschäftsführung des Babylon zum Abschluss eines Haustarifvertrages bewegen, in dem höhere Löhne, geregelte Arbeitszeiten und die Übernahme von PraktikantInnen geregelt werden sollte. Die Beschäftigten haben den Vertragsentwurf gemeinsam der FAU konzipiert.
Babylon-Geschäftsführer Thomas Grossmann weigerte sich aber, mit der FAU zu verhandeln und bemühte die Justiz. Mit der Entscheidung fühle er sich in seiner Sicht bestätigt, dass die FAU als Scheingewerkschaft ihre Ideologie unter die Leute bringen wolle, sagte Grossmann gegenüber der taz.
Der Berliner Rechtsanwalt Klaus Stähle, der die FAU in dem Rechtsstreit vertritt, bedauerte hingegen, dass das Gericht der tradierten Rechtssprechung gefolgt sei, die die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft von deren Stärke in einer Branche abhängig macht. Das Urteil trage der Tatsache nicht Rechnung, dass sich die Tarifsituation verändert hat und in vielen kleinen Betrieben die großen Gewerkschaften kaum noch Einfluss haben, meinte der Fachmann für Arbeitsrecht.
Andreas Köhn von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wollte das Urteil gegenüber der taz nicht bewerten. Es sei dabei aber nicht um eine Entscheidung über den Boykott als Arbeitskampfmittel, sondern um die Tariffähigkeit der FAU gegangen, betonte er. Verdi werde mit der Babylon-Geschäftsführung einen Tarifvertrag abschließen, der sich an den Flächentarifvertrag in der Kinobranche orientiert. Das könne Lohnerhöhungen bis zu 36 Prozent bedeuten, betonte Köhn. Auch Grossmann äußerte sich positiv zu einem baldigen Abschluss mit Verdi.
Ein Sprecher der FAU wollte das Boykott-Verbot nicht kommentieren, weil ihr bisher das Urteil noch nicht zugestellt wurde. Es sei aber nun mal so, dass die Mehrheit der Babylon-Beschäftigten in der FAU und nicht bei Verdi organisiert sei. Deshalb sei der Arbeitskampf auch nach dem Boykott-Verbot nicht zu Ende. Am kommenden Samstag findet um 14 Uhr am Rosa Luxemburg-Platz Kino eine Solidaritätskundgebung statt.
Peter Nowak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid