Boxen: Rio und retour
Weil der Comandante wettert, kehren die Boxflüchtlinge Rigondeaux und Lara reumütig nach Kuba zurück.
HAMBURG/HAVANNA taz Farah Colina hat um ihren Mann gebangt. Guillermo Rigondeaux, 26, sei kein Krimineller und habe niemanden ermordet, flehte die 31-jährige Frau des Weltklasseboxer. Angst vor Repressalien gegenüber ihrem Mann habe sie, sagte die Mutter eines fünfjährigen Kindes zur spanischen Nachrichtenagentur EFE am Wochenende. Einen Tag später, am Sonntag in den frühen Morgenstunden, schwebte Rigondeaux gemeinsam mit seinem Freund und Fluchtgefährten Erislandy Lara wieder in Havanna ein. Da waren die ersten Exemplare der Granma, der kubanischen Parteizeitung, schon gedruckt und auf Seite 2 hatte Fidel Castro den beiden Athleten eine weitere seiner Kolumnen gewidmet. Sie kämen nicht in Arrest, versicherte der Staatschef im Krankenstand. Man werde sie in ein Gästehaus bringen, wo sie ihre Familien empfangen und wo sie auch mit der Presse sprechen könnten. Namentlich erwähnt wurden die beiden Boxer, die mit ihrer Flucht international für viel Aufmerksamkeit gesorgt hatten, vom Landesvater, der nächste Woche seinen 81. Geburtstag feiern wird, jedoch nicht.
Aus den Vorzeigeathleten sind gewöhnliche Bürger geworden, und ob Rigondeaux und Lara jemals wieder die kubanischen Farben tragen werden, ist ausgesprochen zweifelhaft. Zum einen hat die Regierung in Havanna Sportler, die sich einst vom jeweiligen Nationalteam absetzen, nie wieder einreisen lassen, zum anderen ist schon der Verdacht einer möglichen Fahnenflucht in Kuba mit dem Ausschluss vom Wettkampfbetrieb verbunden. Ein bekannter Fall ist jener von Orlando "El Duque" Hernández, der in den Neunzigerjahren in Kuba kein Baseball mehr spielen durfte, weil sein Halbbruder Liván sich nach Miami abgesetzt hatte. Heute spielen beide in der amerikanischen Major League Baseball. Auch Germán Mesa, ebenfalls eine Baseballlegende der Insel, traf der Bannstrahl, weil er wegen Auslandskontakten als potenzieller Republikflüchtling gehandelt wurde.
Zuverlässige Anhänger der Revolution sollen die Sportstars der Insel sein, und gefallene Vorbilder wie Rigondeaux stehen nicht gerade hoch im Kurs. Das weiß auch Farah Colina, die gegenüber EFE kaum zu hoffen wagte, dass ihr Mann wieder im Nationaltrikot boxen werde. Der stellte derweil im Fluchtort in Rio de Janeiro die Sache als Verschleppung unter Drogeneinfluss dar. Für Pressesprecher Malte Müller-Michealis vom Hamburger Arena-Boxstall eine Schutzbehauptung, da die Familien der Boxer in Kuba unter extremem Druck gestanden hätten. Eine Einschätzung, die auch Arena-Chef Ahmet Öner teilt. Der 35-Jährige hatte über Mittelsmänner Verträge mit Rigondeaux und Lara abgeschlossen, die nun hinfällig sind. "Das ist Berufsrisiko. Wenn zwei Athleten wie Rigondeaux und Lara fliehen, dann muss ich davon ausgehen, dass sie sich den Schritt gut überlegt haben. Bei ihnen war das nicht der Fall. Ihre Familien waren gar nicht vorbereitet", sagte Öner der taz.
Zudem hatte kaum jemand erwartet, dass Fidel Castro den Fall öffentlich machen und gegen die Abwerbung der Sportstars auf allen Ebenen Front machen würde. Für Arena hat sich das Fernduell mit dem Comandante trotzdem ausgezahlt. "Wir sind jetzt deutlich bekannter als zuvor, und der Marktwert der kubanischen Boxer, die bei mir unter Vertrag stehen, ist sicherlich gestiegen", glaubt Öner. Den finanziellen Verlust für die Zahlungen an die Mittelsmänner in Rio de Janeiro - von etwa 50.000 Euro ist die Rede - kann Arena hingegen verschmerzen. Für Rigondeaux und Lara endete die Dienstreise hingegen in einem Fiasko.
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