Botschaften präsentieren sich: Tag der offenen Diktaturen
Erneut präsentieren sich beim All-Nations-Festival vor allem diejenigen Länder, in denen die Menschenrechte häufig verletzt werden. Birmas Militärdiktatur ist dieses Jahr aber nicht dabei.
Äthiopien, Bangladesch, Indonesien, Malaysia, Mosambik, Namibia, Nepal, Philippinen, Sri Lanka, Weißrussland. Die Liste liest sich wie eine Auswahl von Staaten, in denen die Menschenrechte besonders stark verletzt werden. Doch es ist ein Auszug von rund 30 Botschaften in Berlin, die sich am Samstag zum zehnten All-Nations-Festival, auch "Tag der offenen Botschaften" genannt, der Öffentlichkeit präsentieren. Mit einem kostenlosen Festival-Pass kann man auf Botschaftsweltreise gehen und Diktaturen besichtigen. Ein paar wenige EU-Staaten stellen sich auch vor. Das sind neben dem Europäischen Haus Luxemburg, Irland, Malta, Rumänien und die Slowakei.
Verantwortlich für das Festival ist die Berliner Gesellschaft für internationale Begegnung e. V., die laut Vereinsziel "die Internationalität Berlins und das friedliche Zusammenleben der Kulturen" fördern will. Dessen Vorsitzender Carsten Diercks bedauert zwar die Auswahl der teilnehmenden Botschaften. "Aber wir haben alle Botschaften angeschrieben, wo es diplomatische Beziehungen gibt. Wer teilnimmt, liegt nicht in unserer Hand", sagt er und macht keinen Hehl daraus, dass er sich mehr Teilnehmer von demokratischen Staaten gewünscht hätte.
Geld der Steuerzahler würden die teilnehmenden Botschaften aber nicht erhalten. Sein Verein arbeite ausschließlich ehrenamtlich. Druckkosten für Festivalpässe und Ähnliches würden über Sponsoren finanziert. Ebenfalls nur immateriell hilft die Berlin Tourismus Marketing GmbH der Botschaftsreise. "Wir unterstützen die Grundidee, dass Staaten ihre Kultur präsentieren können", sagt dessen Sprecher Christian Tänzler. "Die Auswahl der Staaten treffen nicht wir. Mehr sage ich dazu nicht."
Deutliche Kritik übt hingegen der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux: "Das Festival bietet absolutistischen Monarchien und Militärdiktaturen eine prominente Bühne, um ihre Sonnenseiten zu präsentieren. Das ist eher was für findige Reiseagenturen als für Berlin."
Kurzfristig hat Birma seine Teilnahme abgesagt und den Veranstaltern damit vermutlich noch einen Gefallen getan. Die weltweit geächtete Militärdiktatur hat das Festival im vergangenen Jahr genutzt, um für den Fremdenverkehr zu werben. Folkloremusik, Videos mit tücherschwenkenden Asiatinnen vor idyllischen Landschaften und Pagoden sollten Berliner Touristen in das Land locken, in der die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi seit eineinhalb Jahrzehnten unter Hausarrest steht. In der Botschaft der Militärdiktatur wurden Imbissgerichte und Kunstgewerbe verkauft.
Ob der Erlös bei den Diplomaten bleibt, ist unbekannt. Fragen von Besuchern zur Menschenrechtssituation wurden von den Diplomaten nicht beantwortet.
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