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Botschaften auf SteinEin bunter Fels in der Brandung

Mit dem „Alten Schweden“ liegt ein riesiger Findling direkt am Hamburger Elbstrand. Von den Kämpfen der Stadtgesellschaft bleibt er nicht unberührt.

Ein Hauch von Ewigkeit – in immer neuen Farben: der „Alte Schwede“ am Ufer der Elbe in Hamburg Illustration: Jeong Hwa Min

Hamburg taz | Der Riese liegt am Elbstrand, direkt neben dem Uferweg, und schimmert in der Sonne. An Wochenenden drängen sich hier die Spa­zier­gän­ge­r*in­nen, jetzt, an einem Dienstagmorgen, ist nicht viel los hier, nur ein paar Jog­ge­r*in­nen sind unterwegs und Hunde. Im Sand zeichnen sich Reifenspuren ab, vielleicht war die Stadtreinigung da und hat den Müll weggeräumt, der von einem der Picknicks übriggeblieben ist.

Drüben am anderen Ufer liegen die Containerterminals, aber wenn man an den grauen Findling herantritt, sieht man nichts mehr davon. Unmöglich, über ihn hinwegzusehen, dazu ist er mit über vier Metern zu hoch. Überraschend glatt fühlt sich die schrundige Oberfläche an, ein wenig aufgewärmt schon von der Sonne. „Grauer Granit“, sagen die Experten dazu, aber da ist noch mehr: kleine weiße Stellen, darin schwarze Punkte, und wenn man um den Koloss herumgeht, changieren die Farben. Es gibt rötlich schimmernde Stellen und gelbe.

1999 haben sie ihn aus der Elbe geholt, nachdem man bei Baggerarbeiten auf den Brocken gestoßen war. Und weil er mit einem Schwimmkran gehoben wurde, der seine Lasten wiegt, weiß man genau, wie schwer er ist: 217 Tonnen.

Er gehört damit noch nicht zu den größten Findlingen, wie der Hamburger Mineralogieprofessor Roland Vinx in den Mitteilungen der Gesellschaft für Geschiebkunde schrieb. Vor der Küste Rügens liegt etwa ein Exemplar, das 1.800 Tonnen wiegt, und im vorpommerschen Altentreptow findet sich an Land ein Stein von 360 Tonnen.

Doch groß ist der Findling vom Elbstrand schon, mit einem Umfang von 20 Metern. Nach der Bergung habe man ihn zwar gehindert, eine Probe zu nehmen, kritisierte Vinx, trotzdem sei es möglich, die Herkunft zu bestimmen: Es handle sich um grauen Ostsmälandgranit aus dem südschwedischen Växjö, der mit den sich ausbreitenden Gletschern der Saale- oder der Elster-Eiszeit mitgeschleift worden sei.

Schleifspuren im Gestein

Tatsächlich weist die Oberfläche des Findlings, der (im Beisein des schwedischen Konsuls) „Alter Schwede“ getauft wurde, auf der dem Fluss zugewandten Seite Striemen auf. Das könnten Schleifspuren sein. Doch es sind nicht die einzigen Spuren an der Oberfläche: An diesem Morgen finden sich auf der Flussseite des Steins Reste von schwarzen Zeichen, die sich mit dem Finger wegwischen lassen, wahrscheinlich Grillkohle.

Etwas weiter oben sind kleine, verblasste gelbliche Graffiti zu erkennen: einmal die Umrisse eines Vogels, und immer wieder der Versuch, die Botschaft „BOB&R“ zu hinterlassen, die frischeste Spur davon ist pink.

Seit seiner Aufstellung wird der Findling besprayt, genauso lange erheben sich Stimmen, die sich daran stören. Das Hamburger Abendblatt kolportierte sogar den Vorschlag eines Künstlers, den Findling auf hohe Stelzen zu setzen, damit die Sprayer nicht mehr herankämen.

Bis dann in der Silvesternacht aufs Jahr 2019 etwas geschah, was die Stimmung kippen ließ: der „Alte Schwede“ war über Nacht golden geworden. Urheber unbekannt.

Zwei Jahre zuvor hatte ein Künstler auf der Veddel, einem der ärmeren Stadtteile Hamburgs, die Hauswand eines Arbeiterklinkerbaus vergoldet, was dort zu wütenden Reaktionen führte. Die Nachbarschaft fühlte sich vorgeführt.

Aber hier, im großbürgerlichen Othmarschen, wo unter alten Bäumen Pferdeanhänger parken, kam die Idee der Vergoldung gut an. Der Findling wurde zum Fotomotiv, viele Menschen kamen, um sich vor dem goldenen Stein fotografieren zu lassen. Eine Petition, das Gold auf dem Stein zu lassen, wurde gestartet, 2.704 Unterschriften kamen zusammen.

Neuer Lack für alte Steine

Die Hafenbehörde, verantwortlich für die Elbe und damit auch für den Stein am Ufer, zögerte: Aber wenn die Politik beschließe, der Stein solle golden werden, wolle man sich nicht querstellen, sagte ihr Chef im Abendblatt-Interview. Nicht lange darauf, noch im Januar 2019, passierten zwei Dinge: Regen setzte dem Gold zu, und eine politische Botschaft erschien in Form von grün umrandeten gelben Dreiecken, schwarzen Sternen und den Worten „war starts“.

Die Stimmung in der Stadt kippte zurück, die Hafenbehörde schritt zur Tat. Man habe sowohl das Graffitto als auch die goldene Farbe entfernen lassen, so die Auskunft. Anschließend habe man den Stein mit einer „Anti-Graffiti-Schicht“ imprägniert.

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Mit überschaubarem Erfolg: Im März 2019 bemalten St. Pauli-Fans den Stein in den Vereinsfarben Braun und Weiß, worauf HSV-Fans in Blau dagegen hielten. Auf Fotos von damals sieht es auch nicht so aus, als ob die goldene Farbe ganz weg wäre.

Und wenn man genau hinschaut, gibt es immer noch diese eine Stelle ziemlich weit unten, nur ein paar Quadratzentimeter: eindeutig Gold. Immer noch? Oder wieder? Wer kann das schon wissen.

Anmerkung d. Redaktion: In einer vorherigen Version hatten wir dem FC St. Pauli versehentlich falsche Vereinsfarben zugeschrieben. Das haben wir korrigiert.

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5 Kommentare

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  • Nichts ist sicher vor Vandalismus. Eine hässliche Gesellschaft ohne Respekt vor Schönheit.

  • Ein, zwei oder auch drei Fotos des "Alten Schweden" fehlen dem Artikel.

  • Ja, das Hamburger Abendblatt gebiert sich von Anfang an als Schutzpatron dieses Steins. Ich erinnere mich an einen Leserbrief aus den Tagen der ersten darauf aufgetauchten Graffiti (so zur Jahrtausendwende). Darin wurde gefordert, der Täterin oder dem Täter, sollten sie erwischt werden, ein Graffito auf die Stirn zu tätowieren…

    Sowas wurde damals abgedruckt und für repräsentativ gehalten. Wahrscheinlich war es das. Eine Verrohung der Sprache ist in diesen „bürgerlichen“ Medien seit Langem zu beobachten und wird durch das Internet heute nur verstärkt.

    • @Totti:

      Sie haben recht, es wurde gedruckt, ob es repräsentativ war ist spekulativ. Sicher ist jedoch, daß Humor damals nicht so überbewertet galt als heute.

      • @0 Substanz:

        Es ist nicht spekulativ. Ich hatte damals schriftlich nachgefragt und der damalige Chef vom Dienst (hat danach weiter Karriere gemacht) antwortete mir, dass die Zuschrift für viele andere ähnlicher Art stehe und er sich gegen "Zensurversuche" verwehre.

        Hat vielleicht ein ähnliches Humorverständnis wie Sie. Das ist jetzt aber wirklich spekulativ...