Bosnien und Herzegowina: Korruptionsjäger ausgebremst
Die EU degradiert internationale Richter und Staatsanwälte am Gerichtshof in Sarajevo zu Beratern. Davon profitiert der Premier der bosnischen Serben.
Erneut hat die EU dem Ministerpräsidenten der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, nachgegeben. Der fordert schon seit langem, die internationalen Richter und Staatsanwälte, die sich mit Korruptionsfällen befassen, aus Bosnien und Herzegowina abzuziehen. Mit der Mehrheit seiner Partei hat er im Parlament der serbischen Teilrepublik eine Resolution in diesem Sinne verabschieden lassen.
Dem hätte die EU widersprechen und den Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien, Valentin Inzko, auffordern können, den Beschluss des Parlamentes für ungültig zu erklären. Brüssel möchte die internationalen Juristen zwar nicht abziehen, aber zurückstufen. Ab jetzt dürfen sie nur noch als Berater am Gerichtshof von Bosnien und Herzegowina tätig sein.
Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind noch nicht abzusehen. Sicher ist, dass der Abteilung für Korruptionsbekämpfung Fesseln angelegt werden. Das ist im Interesse Dodiks. Wie das Zentrum für Forschungsberichte (Izvor) kürzlich aufdeckte, hat Dodik über ein Investitionsprogramm der serbischen Teilrepublik Freunden und Geschäftspartnern Millionenbeträge zugeschanzt.
So habe er unter anderem als Chef des Aufsichtsrats des Programms seinem Sohn einen Kredit von 3 Millionen Konvertibler Mark (1,5 Millionen Euro) sowie einer ihn unterstützenden Tageszeitung 2,5 Millionen Euro gewährt. Gegen Dodik laufen Ermittlungen wegen der Veruntreuung von 60 Millionen Euro. 2008 berichteten bosnische Medien, Dodik habe seit der Übernahme seiner Amtsgeschäfte im Jahre 2006 ein Privatvermögen von 20 Millionen Euro angehäuft. Hinzu kommt noch eine Villa in bester Belgrader Lage.
So ist es kein Wunder, dass der Mann Nachforschungen über seine Korruptionsskandale verhindern will. Dodik bekommt Rückendeckung von dem Reisu-l-Ulema, Mustafa Ceri, dem Oberhaupt der islamischen Gemeinschaft in Bosnien, der ebenfalls in Finanzskandale verwickelt ist. Da aber einheimische Richter nach Drohungen kaum über das nötige Rückgrad verfügen, den korrupten Mächtigen entgegenzutreten, geht die Entscheidung der EU, die in der Antikorruptionsabteilung tätigen Juristen herabzustufen, "in die falsche Richtung."
So beurteilt die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck den Vorgang. In einem Appell an die Bundesregierung hatte sie vor der Entscheidung Brüssels gebeten, von deutscher Seite für die Juristen einzutreten.Nach dem Willen Brüssels sollen immerhin die Juristen, die mit Kriegsverbrechen befasst sind, in Bosnien tätig bleiben.
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