Borussia Mönchengladbach in der Krise: Das Gemecker der Gurus
In Mönchengladbach streitet man sich über die Struktur des Klubs. Doch die Ursache für den Absturz liegt anderswo. Da helfen die Angriffe von Berti Vogts wenig.
KÖLN taz | Eigentlich ist Max Eberl ein ausgesprochen besonnener Mann. Nie wird der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach ausfällig. Seine Aussagen sind immer diplomatisch und meistens fundiert, doch nach dem 0:3 in Freiburg rang Eberl um Fassung. Die Angriffe einiger Ex-Borussen haben ihn wirklich berührt. "Vetternwirtschaft" werde beim abgeschlagenen Tabellenletzten betrieben, hatte Berti Vogts behauptet und Eberl vorgeworfen, sich bei Niederlagen "hinter dem Klub zu verstecken".
Der junge Sportdirektor hat diese Tiefschläge souverän gekontert und Vogts sehr diplomatisch als "Unruhestifter" bezeichnet, das Entsetzen in seinem Gesicht war jedoch schwer zu übersehen.
Denn Vogts ist Eberls Kindheitsidol, der legendäre Verteidiger hätte doch bitte "im Sommer kommen sollen, man hätte darüber reden können, man hätte Hilfe annehmen können", sagte Eberl, der dem Helden seiner Jugend während seiner zwölf Jahre in Mönchengladbach nie persönlich begegnet ist. Mit anderen Worten: Vogts hat keine Ahnung von der Borussia des Jahres 2010, es ist der alte Krisenmechanismus: Wenn die Tage besonders finster sind, kommen die Gurus und Ex-Gurus, um mit Schmutz zu werfen.
Das erklärt, warum Eberl andere Kritiker wie die aus Sponsorenkreisen hervorgegangene "Initiative Borussia" sehr viel ernster nimmt. Der Arbeitskreis hat Ursachenforschung betrieben, Hauptgrund für das sportliche Desaster sei "ein patriarchalisches Managementsystem und eine völlig veraltete Satzung und Vereinsstruktur". Vorbild sei Bayern München, auch die Borussia müsse hauptamtlich geführt werden. Das von den Mitgliedern gewählte Präsidium um Rolf Königs wäre dann nur noch im Aufsichtsrat vertreten, in dem sich auch einige der engagierten Sponsoren gerne sähen.
Auf der Jahreshauptversammlung Anfang kommenden Jahres wird darüber abgestimmt. Es gehe hier "um die Frage: Wem gehört Borussia Mönchengladbach?", sagte Vizepräsident Reiner Bonhof deshalb: den Mitgliedern oder den Geldgebern. Klublegende Günter Netzer hat sich am Wochenende übrigens an der Seite der Reformer positioniert, allerdings ist die Struktur des Vereins sicher nicht das Hauptproblem der Gegenwart.
Denn eigentlich hat das Präsidium mühselig gelernt, vernünftig in den vorhandenen Strukturen zu arbeiten. Königs, ein erfolgreicher Textilunternehmer, hat den Klub saniert, doch er erlag der Versuchung, auch ohne fußballerischen Sachverstand auf sportlicher Ebene mitreden zu wollen. Erst Trainer Hans Meyer hat eine klarere Trennlinie zwischen sportlichem und wirtschaftlichem Segment etabliert. Und deshalb ist nicht das Präsidium, sondern die sportliche Führung mit Eberl und Trainer Michael Frontzeck für die desaströse Hinrunde verantwortlich. Das wäre auch nicht anders, wenn die Geschäftsführung ohne Einfluss des Präsidiums agieren würde.
Denn bei allem Verletzungspech kann niemand bestreiten, dass Fehler in der Personalplanung passiert sind. Es gibt keinen überzeugenden Linksverteidiger, es fehlt ein defensiver Mittelfeldspieler, und Offensivkräfte, die in der Lage sind, mit Fleiß und taktischem Geschick nach hinten zu arbeiten, sucht man vergeblich im Kader. Trainer und Sportdirektor haben sich einfach geirrt, sie haben auf Konstanz gesetzt.
Erstmals seit Jahren wurde die Mannschaft im Sommer nur punktuell umgebaut, denn die Altersstruktur des Teams schien ebenso günstig wie die individuelle Besetzung. Marco Reus galt als designierter Nationalspieler, die Innenverteidiger blickten auf eine brillante Saison zurück, und der Amerikaner Michael Bradley hatte bei der WM bleibende Eindrücke unter den internationalen Scouts hinterlassen.
Natürlich ist es nachvollziehbar, nach Jahren der permanenten Trainer- und Sportdirektorenwechsel, mehr Konstanz in den Klub einzuarbeiten, doch in diesem Herbst festigte sich der Eindruck, dass der Trainer mit einer fast schon dickköpfigen Beharrlichkeit immer dieselben Fehler macht. Gut möglich, dass Frontzeck deshalb noch vor Weihnachten das erste Opfer der Krise wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!