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Boris Becker über Davis Cup„Das machen die Topleute nicht mit“

Boris Becker erklärt, warum der Davis Cup in seiner jetzigen Form überholt ist und warum Niki Pilic dem deutschen Tennis-Team hilft.

Sah auch schon frischer aus: Boris Becker. Bild: dpa
Interview von Jörg Allmeroth

taz: Herr Becker, an diesem Wochenende spielt Deutschland in der ersten Davis-Cup-Runde gegen Frankreich. Zuletzt beherrschten aber der Abgang von Exteamchef Carsten Arriens und Funktionärsgerangel die Schlagzeilen.

Boris Becker: Man könnte auch sagen: Nichts Neues im deutschen Tennis. Man beschäftigt sich mit sich selbst – und nicht mit dem Sport. Und das kann sich das deutsche Tennis heute noch viel weniger leisten als jemals zuvor.

Was genau meinen Sie damit?

Wir müssen doch nur auf die Ranglisten schauen. Wie viele Deutsche stehen unter den Top 50? Wo sind die jungen deutschen Spieler, die eine Perspektive haben?

Warum gibt es keine deutschen Spitzenspieler mehr?

Ich habe mich immer für mehr Zentralismus eingesetzt, schon als ich selbst noch gespielt habe oder dann Teamchef war. Die Kräfte müssen gebündelt werden. Ich hoffe, dass das neue Präsidium in diese Richtung wirkt und arbeitet.

Die Verbände schmücken sich gern mit dem Lorbeer, wenn einer mit 16, 17 oder 18 Jahren Jugendturniere gewinnt.

Das ist nicht mehr relevant im modernen Tennis. Das Entscheidende ist, dass es ein deutscher Spieler mit 21 Jahren in die Top 100 oder besser geschafft hat – und von dort eine Plattform hat für seine weitere Karriere.

Im Interview: Boris Becker

Als Trainer betreut der 47-Jährige seit Januar 2014 den Weltranglistenersten Novak Djokovic. Von 1997 bis 1999 führte Becker das deutsche Davis-Cup-Team an, das er von Niki Pilic übernommen hatte. Als Spieler holte der gebürtige Leimener sechs Grand-Slam-Titel und gewann 1988 und 1989 den Davis Cup mit Deutschland.

Erfolge im Juniorenalter sind also weniger wichtig?

Ja, es geht nicht darum, die besten Jugendspieler, sondern die richtigen Jugendspieler zu fördern, die es dann auch im Herrentennis schaffen können.

Ihr Name war plötzlich auch im Spiel, als es um die Arriens-Nachfolge ging.

Dagegen kann ich mich nicht wehren, die Anfrage ist ja auch legitim. Aber ich habe keine einzige Sekunde ernsthaft erwogen, diesen Job jetzt zu übernehmen. Man kann nicht Trainer der Nummer 1 der Welt und gleichzeitig Davis-Cup-Teamchef sein.

Würden Sie ausschließen, noch einmal als Teamchef für Deutschland zurückzukehren?

Nein, das würde ich nicht. Nur ist es weder heute, morgen noch übermorgen ein Thema.

Sie waren Führungsspieler der Nationalmannschaft, sie waren selbst Teamchef. Wie ist eigentlich die Macht verteilt in diesem Davis-Cup-Mikrokosmos?

Eines vorweg: Der Verband und der Teamchef müssen alles tun, um die Nummer 1 des Landes an den Start bringen. Deshalb war es, wenn wir von Deutschland reden, auch richtig, Philipp Kohlschreiber wieder zu nominieren. Ohne Kohlschreiber hat man keine Erfolgsperspektive, das muss man ganz pragmatisch sehen.

Das heißt: Der Teamchef spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Nein, bestimmt nicht. Aber er muss sich zurücknehmen und die Bedürfnisse seines Spitzenspielers erkennen.

Wie bewerten Sie die Rückkehr von Niki Pilic als Berater des Teams?

Ich freue mich, dass Niki die Zeit und die Muße hat, um Deutschland zu helfen. Es gibt keinen Trainer auf der Welt, der mehr Erfolge im Davis Cup vorzuweisen hat – und der mehr Erfahrung mitbringt. Er hat es im Übrigen auch immer geschafft, als Kapitän mit den besten Spielern klarzukommen.

Roger Federer hat sich mit scharfer Kritik am Davis Cup gemeldet. Es ging dabei auch um den jährlichen Austragungsmodus.

Tatsächlich ist der Davis Cup in der jetzigen Form überholt, er passt speziell für die viel beanspruchten Spitzenspieler nicht mehr in den Kalender hinein.

Was hat sich geändert?

Die Spitzenspieler spielen seit vielen Jahren immer seltener im Davis Cup. Und das ist nicht gut, das entwertet die Sache. Es muss ein Kompromiss gefunden werden, eine andere Frequenz für den Wettbewerb.

Der Davis Cup wird sogar in einem übervollen Kalender eines Olympia-Jahres gespielt.

Und das geht dann einfach auch nicht mehr. Das machen die Topleute nicht mit. Ich bin gespannt, wer da 2016 antritt. Denn Davis Cup bis zum Ende durchzuspielen, das bedeutet, acht Wochen der Saison dafür zu opfern. Und das in einer Zeit, in der das Tennis viel physischer geworden ist, viel mehr Aufwand erfordert.

Und doch tritt Novak Djokovic wieder für Serbien an.

Ich sehe das nicht gern. Denn von so einer Davis-Cup-Partie musst du dich ja auch noch richtig erholen. Besonders, wenn du drei Tage am Stück spielst. Aber Serbien will in diesem Jahr unbedingt noch mal mit dieser Mannschaft gewinnen.

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