Boom der Elektroräder: Unfallforscher befürchten mehr Tote
Elektroräder werden immer beliebter. Doch bei Crashtests sind sie lebensgefährlich, sagen Unfallforscher. Noch gibt es keine Statistik zu den Gefahren.
BERLIN taz | Die Elektrofahrrad-Branche erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Rund eine Million Räder sollen zum Ende nächsten Jahres über deutsche Straßen rollen, rechnet der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) aus. Nun diskutiert die Branche, wie die Räder den Verkehr verändern werden.
Mit den Pedelecs erreichen auch unsportliche Radfahrer dank eines zusätzlichen Elektromotors problemlos 25 Kilometer pro Stunde. Die schnelle Variante, auch S-Klasse oder E-Bike genannt, fährt 45. Äußerlich sind sie kaum voneinander zu unterscheiden. Der Boom könnte dazu führen, dass es künftig mehr Tote im Straßenverkehr gibt - das befürchten die Unfallforscher der Versicherer (UDV).
Sie haben Crashtests mit den Rädern durchgeführt und Dummys bei über 40 km/h auf Autos aufprallen lassen. Das Ergebnis: lebensgefährlich. Sie erwarten riskante Überholmanöver. So könnte man in einer Tempo-30-Zone mit dem Rad problemlos Autos überholen. Die Käufer seien meist ältere Menschen, die es nicht gewohnt seien, ein so hohes Tempo zu fahren. UDV und Verkehrswacht fordern darum Helmpflicht für die schnellen Modelle. Die Versicherer fordern für die 45er-Räder mit 500 Watt eine neue Fahrzeugklasse.
Schon heute dürfen die schnellen Modelle nur mit Betriebserlaubnis und Versicherungskennzeichen gefahren werden. Auf Radwegen sind sie verboten. Daran hielten sich aber längst nicht alle, sagte eine Sprecherin des ADFC. Manche würden das Schild einfach abschrauben und dann über den Radweg rasen. Trotzdem hält sie verschärfte Regeln für falsch. Eine Helmpflicht lehnt der ADFC ab. Der Crashtest belege nicht, dass man mit Elektrofahrrädern gefährlicher unterwegs sei. "Mit normalen Rädern würde man doch zum selben Ergebnis kommen", sagte die Sprecherin.
Es lässt sich nicht seriös beantworten, ob mit Elektrofahrrädern tatsächlich mehr Menschen verunglücken. Denn für sie gibt es keine gesonderte Unfallstatistik. Werner Madlencnik betreibt im österreichischen Schladming eine mobile Radfahrschule und gibt auch Trainingskurse für Pedelecs. Er hält es für gefährlich, wenn man sich nicht in Ruhe einfährt.
Der Fahrtrainer kennt die Anfängerfehler: "Die hohe Geschwindigkeit wird oft unterschätzt. Bergab kann man bis zu 60 Stundenkilometer erreichen", sagt er. "Beim Anfahren können die schweren Räder schnell umkippen." Im Moment würden vor allem jene die Räder kaufen, die kaum mobil waren: viele Rentner oder Menschen mit Behinderungen. "Die müssen erst mal lernen, das Rad zu beherrschen", sagt Madlencnik.
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