■ Bonn apart: „Ich habe gestillt!“
Ach. Welch triste Tage in der kleinen Stadt am Rhein. Still steht das Wasser im Keller des Schürmann-Baus, und keine Werbe- und Verkaufsveranstaltung der Woche kann es aufwühlen – nicht der SPD-Parteirat (im Angebot: Scharping- Wahlprogramm), schon gar nicht die Pressekonferenz der Molkereiwirtschaft und auch nicht die Buchvorstellung (Helmut Schmidt präsentiert sein neustes Werk und sich selbst).
Die Bonner KorrespondentInnen wähnten sich fast schon im Wochenende, als am Donnerstag morgen der Ticker meldet: Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer will die Krankenkassen-Vergütung für Hebammen stärker anheben als geplant. Statt 6,5 Prozent sollen vom 1. Juli an 10 Prozent mehr „Geburtsgebühren“ anfallen. Sollte hier das Politikum der Woche liegen, in dieser Ankündigung vom 5. Mai, dem „Tag der Hebamme“? Sollte der „Bund Deutscher Hebammen“ mit seinem Marsch auf Bonn am gleichen Tage die pressure group des Monats Mai sein? Sollte der Bonner Münsterplatz unter den „starken Frauen – starken Hebammen“ (Veranstalterinnen-Motto) zittern, die die 75 Jahre ihrer internationalen Vereinigung feiern? Hebammen aller Länder, vereinigt euch!
Und tatsächlich: Die deutsche Sektion der geburtlichen Internationalen gab sich wahrhaft revolutionär. Sprachlich sublim in ihren Aussagen („Muttermilch ist das Beste!“), geschickt in der Auswahl der demonstrationsbegleitenden Medien wie Regenschirme mit der Aufschrift „Hebammen sind die besten Schirmfrauen für das Leben“ und interessant in der Darstellung ihrer selbst in der Hebammen-Hymne „Leben für Leben“: „Für Kind und Mutter Tag und Nacht fest einzustehen, sanft zu begleiten auf dem Weg in diese Welt, ist das, was zählt“, heißt es da, und alle singen mit. Wer wagte da noch zu behaupten, die deutschen Hebammen befänden sich selbst noch im politisch pränatalen Zustand!
Politische Unterstützung erfuhren die gebärfreundlichen, aber unterbezahlten Frauen weniger durch Herrn Seehofers Gebührenerhöhung, sondern vielmehr von Entwicklungshelferin Ingrid Matthäus-Maier. Obwohl an diesem Tage ihr Sohn Robert Geburtstag feiere – vor genau 14 Jahren und 10 Stunden habe sie ihn auf die Welt gebracht –, stand sie da und bekannte offen: „Ich bin ein großer Anhänger des Stillens. Ich habe lange gestillt.“ Welch große Worte an einem kleinen Tag. Myriam Schönecker
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