■ Bonn apart: Arroganz kommt vor dem Fall
So eine Buchvorstellung in Bonn ist eine ganz feine Sache für uns Journalisten. Man trifft all die netten Kollegen mal ohne Kugelschreiber in der Hand, sitzt gemütlich bei Essen und Trinken beisammen, und obendrein kann man ein Buchgeschenk mit nach Hause nehmen.
Da kann man mal innehalten, an was Schönes denken, etwa an ein gutes Buch, das auf dem Nachttisch liegt, der immer so gewackelt hat, bis man ein noch in die Plastikpelle eingepacktes Buch darunter gelegt hat, war das nicht das Buch vom Waigel? Huch, und schon ist man in Gedanken wieder bei der Buchvorstellung, was aber nix macht, weil es dort zugeht wie beim Religionsunterricht, wo keine Klassenarbeiten geschrieben werden müssen.
Interessiert sich eh keine Sau für eine Buchbesprechung, zumal schon einzelne Sätze der Betreffenden das große Gähnen auslösen. Nehmen wir den Satz des Bundeskanzlers, die Erhöhung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung auf 21 Prozent sei „nicht akzeptabel“. Schon heute müßte ein neues Buch gedruckt werden, weil sich der Kanzler wenige Tage später mit den Worten korrigierte: „auf gar keinen Fall auf Dauer akzeptabel“.
Immerhin werden die Buchvorstellungen spannender. Vorbei die Zeiten, als ein Kohl-Buch von seiner Schwester präsentiert, von Alfred Biolek moderiert und vom Stern gesponsort wurde. Der Trend geht zur Vorstellung durch einen – moderaten – politischen Gegner.
Johannes Rau (SPD) stellt Heiner Geißler (CDU) vor, Helmut Schmidt (SPD) Roman Herzog. Nicht immer funktioniert das so schön wie bei dem Pärchen Schröder (SPD) und Trittin. Der Grüne wertete den Unterhaltungswert des Buches mit feinen Sätzen auf wie „gänzlich unerfahren bin ich in der Rezension von Werken trivialer Kunst nicht“.
In dieser Woche präsentierte Hans-Peter Repnik (CDU) das Buch von Christine Scheel. Da rannten wir alle hin. Zum einen, weil die Finanzexpertin der Grünen Respekt genießt. In Wirklichkeit aber, weil uns verheißungsvolle Überschriften in den Sinn kamen wie: „Die Schöne und das Biest“. Doch der Wolf hatte Kreide gefressen. Er lobte Frau Scheel als kenntnisreich und (sensationell in Bonn!) kompromißbereit.
Freundlich erkannte er an, daß sie immerhin ein „eigenes Steuerkonzept“ vorgelegt habe und daß es gar nicht so selbstverständlich sei, daß sie eine klare Aussage zum Spitzensteuersatz gemacht habe. Wenn sich die Grünen jetzt noch aus der „babylonischen Gefangenheit der SPD befreien“ könnten, seien Gemeinsamkeiten möglich. Immerhin fiel uns jetzt mit Blick auf die Bundestagswahl eine wirklich passende Überschrift ein: „Arroganz kommt vor den Fall“. Markus Franz
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