■ Bonn apart: Geld oder Leben
Heute wollen wir über eine Minderheit sprechen. Eine verfolgte Minderheit, die unser besonderes Mitleid verdient. Eine, die so verfolgt ist, daß sie sich ganz schnelle Autos zulegen muß. Eine, die ständig als stinkereich denunziert wird und sich deswegen in großen Häusern hinter dicken Mauern abschotten muß: unsere Ärzte.
Schon immer waren sie Spielball der Politik. Doch diesmal ist es besonders schlimm. Denn während die alte Regierung nicht nur ihnen, sondern auch den Arbeitnehmern ein paar soziale Grausamkeiten zufügte, sind die Ärzte unter der rot-grünen Regierung nun mit ihrem Elend allein. Der Staat schüttet zwar sein Füllhorn aus, aber die Ärzte schauen in die Röhre. Die Arbeitnehmer können sich über die Wiederherstellung der 100prozentigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Senkung des Eingangssteuersatzes freuen. Bei den Ärzten dagegen sollen die Honorare begrenzt werden.
Müssen die Ärzte also die Zeche dafür zahlen, daß die Arbeitnehmer mit 100 Prozent Lohnfortzahlung blau machen können? Der Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, will diese soziale Ausgrenzung der Ärzteschaft nicht hinnehmen. Wenn die Arzthonorare begrenzt würden, sagte der 68jährige, „müssen die Patienten mit weniger Leistung zufrieden sein, und wir müssen insgesamt überlegen, ob diese Zählebigkeit anhalten kann, oder ob wir das sozialverträgliche Frühableben fördern müssen.“ Das mag sich für Übelmeinende wie „Geld oder Leben“ anhören. In Wahrheit legt Vilmar nur in bester Absicht die Faust in die Wunde.
Alte Menschen kosten nun mal Geld. Und wenn wir uns diese sozialschmarotzlerischen Zähleber weiter leisten wollen, müssen wir alle zahlen. Nicht nur die Ärzte. Das gebietet die Gerechtigkeit.
Für diese Einsicht, lieber Herr Vilmar, seien Sie bedankt. Und beziehen Sie bitte Ihre eigenen Worte nicht auf sich. Wir brauchen Sie – trotz Ihrer Zählebigkeit. Werden Sie ruhig, sagen wir mal, 70 Jahre alt. Markus Franz
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