Bomben und Plünderungen im Sudan: Die Stadt Abyei brennt
Nach der Eroberung der umstrittenen Grenzregion setzt Nordsudans Armee ihren Vorstoß nach Süden fort. Aber noch gilt ein neuer großer Krieg als unwahrscheinlich.
KAMPALA taz | Mit Bomben und Panzern hat Sudans Armee in Abyei an der Grenze zu Südsudan Fakten geschaffen. Von Abyeis Bevölkerung, die mit über 90 Prozent zum südsudanesischen Volk der Dinka-Ngok gehört, ist fast nichts mehr übrig: Mindestens 20.000 sind nach Süden geflohen. "Abyei wird eine Stadt des Nordens blieben, bis die Bevölkerung die Situation für sich selbst entscheidet", erklärte Sudans Verteidigungsminister Abdul Rahim Mohammed Hussein in der Hauptstadt Khartum.
"Die Bombardierungen und Plünderungen gehen weiter", sagt Kouider Zerrouk, Sprecher der UN-Mission im Sudan (UNMIS), zur taz. Er befindet sich nahe Abyei. Bilder beweisen: Hütten sind niedergebrannt und geplündert worden. Die Soldaten von Sudans Regierungsarmee, die Abyei am Samstag eroberten, dringen nach UN-Angaben weiter zum Kiir-Fluss vor, der 1956 von den Briten als Grenze zwischen Nord und Süd definiert wurde.
Die einzige Brücke über den Grenzfluss sei von Kampfhubschraubern bombardiert worden, erklärt der Sprecher von Südsudans Armee, Philip Aguer. Falls die Brücke zerstört ist, ist die Stadt Abyei, die nördlich des Flusses liegt, vom Süden komplett abgeschnitten.
Ein Stellvertreterkrieg
Beim Machtkampf um Abyei geht es nicht so sehr um die Ölvorkommen, wie stets behauptet wird. Die Ölfelder dort sind fast erschöpft. Es geht unmittelbar um fruchtbare Weideflächen am Kiir-Fluss, die von Nordsudanesen beansprucht werden.
Aber es geht vor allem um Psychologie: Abyei ist ein emotionaler Zankapfel zwischen Nord- und Südsudan. Zahlreiche Minister und Generäle der in Südsudan regierenden SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) stammen aus der Gegend. Wer Abyei am Schluss kriegt, hat den Südsudan-Krieg symbolisch gewonnen. Abyei ist Austragungsort eines Stellvertreterkrieges, den sich beide Seiten im Großen nicht leisten können.
Seit Südsudans Unabhängigkeitsreferendum im Januar haben sich beide Armeen dort mehrfach Scharmützel geliefert und sich stets gegenseitig die Schuld zugeschrieben.
Letzte Woche lief eine Deadline zum Abzug der gemeinsamen Armeeneinheiten Nord- und Südsudans aus Abyei aus. Als die SAF-Soldaten unter UN-Begleitschutz abfuhren, wurden sie von Männern in Polizeiuniformen attackiert. Vermutlich steckten in diesen Uniformen SPLA-Soldaten. Die SAF reagierte, indem sie Abyei eroberte.
Südsudans Informationsminister Barnaba Benjamin entschuldigte sich für den Angriff seiner Leute. Dieser habe "nicht absichtlich" stattgefunden. Dennoch droht SPLA-Sprecher Aguer gegenüber der taz: "Wenn die SAF weiter nach Süden vorrückt, werden wir unser Volk verteidigen und beschützen."
Drei Bataillone stünden südlich von Abyei bereit. "Doch wir rechnen nicht damit, dass dies geschieht", wendet er rasch ein.
Der "nicht absichtliche" Angriff beweist, dass die Generäle in Südsudans Hauptstadt Juba ihre übergroße Armee nicht im Griff haben. Der Konflikt in Abyei habe sich "verselbstständigt", sagt die deutsche Sudanexpertin Marina Peter. Die Klärung der Zukunft der Region wurde immer wieder verschoben, "doch die Leute vor Ort erwarten die Einhaltung ihrer vereinbarten Rechte".
Als rein lokales Problem würde sich der Streit um Weiderechte lösen lassen. Die sesshaften Bauern der Dinka-Ngok handeln seit Jahrhunderten mit den nördlichen Misseriya-Nomaden direkt aus, wo diese während der Trockenzeit ihre Rinderherden grasen lassen können.
Politische Lösung ist notwenig
Doch die Frage, ob die Misseriya als Einwohner Abyeis gelten und am geplanten Referendum über die Zugehörigkeit der Region teilnehmen dürfen, hat das Verhältnis zwischen den Völkern nun zerstört. Deswegen muss nun zwischen Juba und Khartum eine politische Lösung her. Sudans Präsident Omar Bashir betonte bereits: "Wir beabsichtigen die ausstehenden Streitpunkte zu lösen, die Spannungen auszuräumen und eine friedliche Lösung in Abyei anzustreben." Damit gibt er indirekt zu, dass die SAF massiv überreagiert hat.
Weder Nord noch Süd können sich einen neuen Krieg leisten. Der Süden würde mit einer Niederlage seine Unabhängigkeit am 9. Juli gefährden; der Norden kann nicht riskieren, dass sich der Konflikt in Abyei, das nicht weit entfernt von Darfur liegt, zu einem Flächenbrand ausweitet.
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