Bomben auf Krankenhaus in Kundus: Afghanen forderten Luftangriff an
Der US-Befehlshaber in Afghanistan ändert jetzt die offizielle Version für den fatalen Luftangriff auf die Klinik von Ärzte ohne Grenzen.
Campbell ist in Personalunion Befehlshaber der Nato-geführten Mission „Resolute Support“ (RS) und der davon teilweise unabhängig agierenden US-Truppen in Afghanistan. Die Zahl der Todesopfer des Angriffs stieg inzwischen auf 22, zehn Patienten und zwölf Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen (MSF).
Campbell sagte, der Angriff sei erfolgt, um eine Bedrohung afghanischer Truppen „durch Taliban zu eliminieren“. Er vermied zu sagen, welcher Ort genau angegriffen wurde.
Provinzgouverneur Hamdullah Daneschi hatte behauptet, der Angriff sei „am Rand“ des Klinikgeländes mit einem großen Garten erfolgt, von wo aus Taliban-Kämpfer geschossen hätten.
US-Befehlshaber spricht von „Versehen“
Campbell zufolge sind die Zivilisten in der Klinik „versehentlich“ getötet worden. Auch gab er zu, dass sich seine Erläuterungen von der ursprünglichen Version unterschieden, wonach der Angriff erfolgt sei, um US-Truppen vor Ort zu schützen.
Das hatte am Vortag Verteidigungsminister Ashton Carter vertreten. Campbell sagte nun, US-Truppen seien „in dem Gebiet“, um Afghanen „zu trainieren, zu beraten und zu unterstützen“. Sie seien „nicht direkt an den Kämpfen beteiligt“. Unklar ist, ob er mit „Gebiet“ Kundus allgemein oder die Umgebung der Klinik meinte.
Laut MSF, der Betreiberorganisation der inzwischen geschlossenen Klinik, wurde nur das Hauptgebäude getroffen. Doch Kämpfer hätten sich auf dem gesamten, nachts abgeschlossenen Gelände nicht aufgehalten. MSF verlangt eine unabhängige Untersuchung und wird darin von der UNO unterstützt.
Bisher keine unabhängige Untersuchung
Bisher gibt es angeblich drei separate Untersuchungen: der US-Truppen, der Nato und der afghanischen Regierung. Doch alles sind Kriegsparteien. Doch dürfte der Zugang schwierig sein, denn die Klinik liegt in Taliban-kontrolliertem Gebiet.
Größere Proteste gegen den Angriff auf die Klinik gab es in Afghanistan bisher nicht. Dabei waren alle Opfer Afghanen. Die Parlamentarierin Fauzia Kufi äußerte sogar Verständnis: Versteckten sich Aufständische an öffentlichen Orten unter Zivilisten, könne „so etwas passieren.“
In Kundus wird noch weiter gekämpft. Afghanische Medien berichten von Taliban-Angriffen von Wohnhäusern und Motorrädern aus. Berichte der Regierung, Armee und Polizei kontrollierten wieder 90 Prozent der Stadt, sind stark übertrieben. Die Taliban erzielten seit Montag südlich des Zentrums Geländegewinne, unterbrachen eine weitere Ausfallstraße und drohen einen Keil zwischen die Regierungstruppen in der Stadt und am Flugplatz zu treiben. In vier Nachbarprovinzen nahmen sie weitere vier Distrikte ein.
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