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Bogotás linker Bürgermeister abgesetzt„Das ist ein Staatsstreich“

Entsorgt: Bogotás Bürgermeister Gustavo Petro muss gehen und erhält 15 Jahre Amtsverbot – wegen der Auswahl inkompetenter Müllfirmen.

Unterstützung für Gustavo Petro: Seine Amtsenthebung rief Proteste hervor. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz | Kolumbiens Hauptstadt Bogotá steht ohne Bürgermeister da. Am Montag setzte Generalstaatsanwalt Alejandro Ordóñez Amtsinhaber Gustavo Petro ab und belegte ihn zudem mit einem 15-jährigen Verbot, ein öffentliches Amt zu bekleiden.

Gustavo Petro ist einer der profiliertesten Linken Kolumbiens. Im Oktober 2011 war er mit rund 32 Prozent der Wählerstimmen ins Bürgermeisteramt der Hauptstadt gewählt worden, nach dem Staatspräsidenten das wohl zweitwichtigste politische Amt des Landes. Petro hatte versprochen, den Kampf gegen die Mafia und gegen soziale Ungleichheit in der Stadt zu führen und den Umweltschutz stärker zu berücksichtigen.

Petro habe im Dezember 2012 „wissentlich und aus freier Entscheidung“ die Müllentsorgung Bogotás an zwei nichtkompetente Unternehmen übergeben, so der Hauptgrund für die Absetzung. Er habe Bogotá in ein Müllchaos gestürzt. An die 9.000 Tonnen Müll hätten sich damals in den Straßen angestaut.

Für Petro ist seine Absetzung ein „Staatsstreich gegen die fortschrittliche Regierung Bogotás“. Am Abend wandte er sich in einer Rede an Tausende seiner Anhänger auf der Plaza de Bolívar. Jetzt müsse eine Bewegung der Empörten gebildet werden, sagte er.

„Der Generalstaatsanwalt hat uns das Recht genommen, die zu wählen, die den Paramilitarismus und das Kartell anprangern, mit dessen Hilfe einige kultivierte korrupte Unternehmer beschlossen haben, sich die öffentlichen Gelder einzuverleiben“, griff er Ordóñez an. Staatspräsident Juan Manuel Santos sei die letzte Instanz, die über das Vorgehen von Ordóñez entscheiden müsse, sagte Petro.

„Nehmt es gelassen“

Die Regierung teilte mit, sie respektiere, wie immer in solchen Fällen, die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft. In einer Stellungnahme zeigte sie sich besorgt über die möglichen Unannehmlichkeiten für die Hauptstadtbevölkerung. Auch könne die Anordnung möglicherweise Auswirkungen auf die Friedensverhandlungen mit der Farc-Guerilla haben, heißt es in der Stellungnahme, die in einem allgemeinen Aufruf zur Gelassenheit endet.

Alejandro Ordóñez steht der Disziplinarabteilung der Generalstaatsanwaltschaft vor, die den öffentlichen Behörden und Institutionen auf die Finger schaut. Seine Entscheidungskompetenz ist durch die Verfassung abgedeckt. Für den erzkonservativen Ordóñez, mittlerweile läuft bereits seine zweite Amtszeit, sind Amtsenthebungen Routineangelegenheiten. In seiner ersten Amtszeit von 2009 bis 2012 hat er 828 Bürgermeister abgesetzt. Jede Woche mussten vier Bürgermeister ihre Sessel räumen.

Bürgermeister mit Vergangenheit

Petro haftet die Bezeichnung Exguerillero an. Tatsächlich hatte er sich in den 1980er Jahren dem linken Flügel des Movimiento 19 de Abril, kurz M-19 angeschlossen. Petro saß im Gefängnis und ging danach in den Untergrund. Anfang 1990 gab die Gruppe die Waffen ab und bildete die Alianza Democrática M-19.

Zweimal, 1991 und 1995, zog er als Abgeordneter ins Unterhaus des Kongresses ein. Bei der Wahl 2006 kandidierte er erfolgreich für den Senat, wo er sich als einer der Oppositionsführer profilierte. Sein Meisterstück: die Aufdeckung der Verbindungen der rechten Paramilitärs und der Parteigänger des damaligen Präsidenten Álvaro Uribe. Ein Kongressmitglied nach dem anderen wanderte ins Gefängnis.

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9 Kommentare

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  • R
    redessaince

    So wie ich es verstanden habe, geht es nicht etwas um 'zwei inkompetente Untenehmen in der Müllentsorgung'. Bogota hat im Dezember 2012 bei der Neuaussschreibung der Konzessionen für die Müllabfuhr der kommunalen Wassergesellschaft Aguas de Bogotá die Konzession gegeben. Dadurch lies sich eine Preissenkung in den einkommensschwächsten Viertel sowie eine Einbindung von Einzelpersonen, die Recyclingmüll in der Stadt sammeln, umsetzen. Über die Gesetzmäßigkeit einer Kommunalisierung dieses zuvor privaten Gewerbes wird gestritten. Aguas de Bogotá ist nicht etwas inkompetent, sondern die privaten Firmen haben die Müllwägen nicht wie in ihrem Vertrag vorgesehen mit dem Ende ihrer Konzession der Stadt übergeben - folglich konnte die neue Müllabfuhr drei Tage lang den Müll nicht abholen. Nach drei Tage wurde der Müll it normalen Lastern entfernt, was laut der Procuradoría wiederum die Gesundheit der Stadtbewohnergefährdete. Die Müllabfuhr funktioniert auf jeden Fall super und diese Amtsenthebung ist eine politische Farce und ein trauriges Exempel der kolumbianischen 'Demokratie'.

  • D
    DasNiveau

    So einfach machen es sich andere Länder.

     

    Und Berlin mit seinem BER Desaster hat Wowereit immernoch am Hals.

  • VG
    Volker Gajewski

    Mittlerweile ist aufgeflogen, dass der ultrarechte Ex-Präsident Urribe seine Finger mit im Spiel hatte. Besagter „Staatsprokurist“ scheint weder alleine noch etwa unabhängig gehandelt zu haben und ist bis in die bürgerlichen Medien hinein mittlerweile sehr isoliert. Selbst der konservative kolumbianische Justizminister geht auf Distanz und will die Verfassung nunmehr ändern und derartige Amtsenthebungen von gewählten Volksvertretern aus dem Kompetenzbereich des „Staatsprokuristen“ streichen.

    Es gibt durchaus noch Hoffnung, dass sich das ganze so nicht durchsetzen lässt. Für Freitag ist eine nationale Mobilisierung in Bogotá angesetzt. Nicht ganz unwichtig ist dabei auch, ob es international dazu Aufmerksamkeit gibt.

    Wegen der Kürze kann der Artikel natürlich die komplexe Thematik nicht abarbeiten. Ein 3-seitiger Hintergrundbericht ist hier verlinkt: https://db.tt/8mTwpBwH

    @Greenhu: Woher hast Du das?

    Volker Gajewski

    • G
      GreenHU
      @Volker Gajewski:

      Aus der Semana. Ordonez wurde laut des Artikels, den ich Anfang August gelesen habe, in einem Radio Interview nach seinen Kontakten zu Faschisten (3a Brigada, oder wie nennen die sich?) und einem prominenten Holocaustleugner gefragt. In dem Artikel wurde es so dargestellt, dass Ordonez sich nicht dazu durchringen konnte sich klar von derartigen Extremen zu distanzieren. Er habe das Interview abgebrochen, weil er über dieses Thema nicht sprechen wollte.

  • U
    Udo

    Noch ist Petro Buergermeister, und es stehen ihm verschiedene Rechtsmittel auf nationaler und internationaler Ebene zur Verfuegung. Man kann hoffen, dass hierdurch eine Reduzierung oder Ruecknahme der Absetzung erzielt wird. Er hat im Gegensatz zu seinen Vorgaengern erfolgreich gegen die weit verbreiteten korrupten Praktiken in der oeffentlichen Verwaltung gekaempft.

    Mit diser absurden Entscheidung hat Ordoñez auch sich und sein Amt schwer beschaedigt, sicher wird im Rahmen der anstehehenden Justizreform seine Kompetenz stark eingeschraenkt werden.

  • G
    GreenHU

    Der Procurador ist so rechts, dass er sich nicht distanziert von Holocaustleugnern und kolumbianischen Hitleristen.

  • L
    locombia

    Danke für den Artikel, ich befürchtete schon, die deutche Medienlandschaft würde dieses Thema komplett ignorieren. Vielleicht wäre noch erwähnenswert, dass es sich hier um eine völlig überzogene Maßnahme der Staatsanaltschaft handelt. Man muss sich diese Relationen mal ansehen, wenn man dem gegenüberstellt, dass bei Verbindungen von Politikern zu Paramilitärs oft Straflosigkeit herrscht in Kolumbien.

  • UT
    Ulrich Tietze

    Die TAZ sollte sich hüten die gleiche Argumentation gegen Gustavo Petro zu benutzen wie seine Gegner aus dem rechten Lager in Kolumbien. Die Argumentation Petro hätte mir dem Müllchaos im letzten Dezember ein Gesundheits- und Umweltproblem verursacht, ist vorgeschoben. Im Vergleich zu Müllproblemen, wie sie Madrid oder gar erst Neapel hatte, waren die 1-2 Wochen damals absolut nicht vergleichbar. Es war ein politisches Problem weil Petro die private Müllentsorgung Bogotas, die immer teurer wurde und keine Recyclingperspektive bot, mit dem Programm "Basura Zero(Null-Müll)" wieder in die Hände des Distrikt bringen wollte. Dagegen hat sich die Müllmafia gewehrt indem sie das Müllchaos erst richtig anheizte. Jetzt hat Ordoñez ihr den größten Gefallen getan.

     

    Bei den Menschen die gestern Abend auf der Plaza Bolivar für Petro demonstriert haben und die sich heute nachmittag wieder sammeln werden, geht die Furcht um, dass diese Entscheidung Anlass für neue rechte Gewalt gegen gewählte Politiker der Linke in Kolunbien liefert. Es wird auch erwartet, dass sie Einfluss auf die Friedensgespräche in Havanna haben könnte, da die FARC befürchten muß bei nächster Gelegenheit ebenfalls aus dem gerade ausgehandelten politischen Betätigungsprozess wieder ausgeschlossen zu werden.

     

    Die Ironie an der Sache ist, das das Amt der Oberstaatsanwalt (Procurador Nacional) in den Friedensverhandlungen der 90er Jahre mit der M19 Guerilla überhaupt erst geschaffen wurde um korrupte Politiker verfolgen zu können - dieses Instrument wird jetzt gegen die politische Linke angewandt. Konsequenz ist dass viele der progressiven Staatsangestelltem lieber gar nichts mehr versuchen was zu bewegen um dann später auch keine Probleme zu bekommen. Rechtsanwälte anstatt Politiker bestimmen den Rhythmus der alltäglichen Entscheidungen in diesem Land und es kommt einfach nichts voran.

    Mit Gruss aus Bogota.