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BörsenkriseCrash schon wieder vorbei

Die Börsen scheinen sich zu erholen, die Anleger bleiben nervös. Die Bundesregierung will die deutsche Schuldenbremse auch in anderen Euroländern einführen.

Wertpapierhaendler an der Frankfurter Börse warten gespannt, wie sich der Kurs entwickelt. Bild: dapd

BERLIN taz/rtr/dpa | Die Talfahrt an den deutschen Börsen setzte sich am Dienstag nicht fort. Der deutsche Aktienindex DAX verlor zwar zunächst etwa 7 Prozent und fiel unter die Grenze von 5.600 Punkten. Doch schon am Vormittag erholte er sich wieder, um nachmittags meist zwischen 5.800 und 5.900 Punkten zu schwanken. Damit näherte er sich wieder dem Kurs von Montag an.

Obwohl sich die Börsen vorerst zu beruhigen scheinen, sind die Anleger weiterhin nervös. Diese Unsicherheit misst der sogenannte VDAX, der die Schwankungsbreite des Leitindex abbildet. Er schoss auf den höchsten Stand seit 2009. Diese Volatilität ist nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen: Damals flaute die Wirtschaftskrise ab.

Im langjährigen Vergleich sind die starken Schwankungen des DAX nicht ungewöhnlich. Derzeit ist der DAX wieder ungefähr auf dem Niveau nach der Lehman-Pleite im September 2008. Doch nicht nur die Aktienmärkte sind nervös. Auch auf dem Markt der Staatsanleihen sind die Investoren verunsichert. Vor allem italienische und spanische Staatsanleihen gelten als riskant, weswegen in der vergangenen Woche Renditen von bis zu 6,5 Prozent verlangt wurden. Diese hohen Zinsen hätten Spanien und Italien mittelfristig in den Konkurs getrieben.

Die Europäische Zentralbank (EZB) verteidigte daher noch einmal ihre Entscheidung, dass sie seit Montag italienische und spanische Staatsanleihen aufkauft, um deren Zinsen zu drücken. "Es ist die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, und es hätte die schwerste Krise seit dem Ersten Weltkrieg werden können", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Dienstag.

Diese Intervention machte sich bemerkbar. Am Dienstag lagen die Renditen für italienische und spanische Staatsanleihen bei etwa 5 Prozent. Noch gibt es keine offiziellen Zahlen, wie viele Papiere die EZB aufgekauft hat. Das wird am kommenden Montag bekannt gegeben.

Schuldenbremse für Europa

Trotz der EZB-Interventionen kehrt keine völlige Ruhe bei den europäischen Staatsanleihen ein. Denn nun konzentrieren sich die Investoren auf neue potenzielle Wackelkandidaten. So stiegen die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen. Denn es gilt als denkbar, dass nach den USA auch Frankreich seine Bestnote AAA verlieren könnte.

Schon vor Tagen hatten die Ratingagenturen gewarnt, dass sie Frankreich herabstufen, sollte die Regierung nicht stärker sparen. Denn der Internationale Währungsfonds (IWF) hat errechnet, dass Frankreich auch 2013 auf ein Defizit von 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kommt - und damit weiterhin oberhalb der erlaubten Schuldengrenze von 3 Prozent bleibt. Insgesamt würde sich die Schuldenlast der Franzosen im Jahr 2013 dann auf 88 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung summieren.

Damit liegen die Franzosen zwar weit unterhalb der USA, deren Schulden bereits jetzt 100 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. Doch anders als die Amerikaner können die Franzosen nicht einfach die Steuern erhöhen: Ihre Staatsquote liegt im internationalen Vergleich sehr hoch, während die USA noch viel Spielraum haben, vor allem ihre reichen Bürger zu belasten. Die Staatsquote der USA ist sogar niedriger als die griechische.

Die Bundesregierung plant derweil eine neue Initiative: Sie will die deutsche Schuldenbremse auch in anderen Euroländern einführen. Zumindest Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) war sich sicher: "Das wäre ein gutes, starkes Signal an die Märkte."

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2 Kommentare

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  • UB
    Udo Bangert

    Mögliche Lösung "Das Bedingungslose Grundeinkommen" von Prof. Götz Werner (DM Chef). Fakt ist doch, dass uns die Produktionsarbeit ausgeht, die Arbeit im Kern besteuert wird und weniger Kapital. Wir kommen daher an einer Neuverteilung der Arbeit (Geldes) nicht vorbei, wenn es nicht Mord und Totschlag geben soll. Mit ein Übel ist die Zinswirtschaft, da die Länder/Gemeinden kaum noch das Einnehmen können was Sie verbrauchen. Wir können immer mehr Wohlstand produzieren, wieso kommt dies aber bei immer mehr Menschen nicht mehr an, z. B. den Rentner. Der Kapitalismus hat die Effizienz der (Produktions-)Prozesse enorm gesteigert. Dies müssen wir uns bewusst machen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Götz Werner sagt es schön. Man muss radikal links und radikal ökonomisch denken und beides zusammenführen. So verkehrt scheint dies nicht zu sein und das BG begeistert auch immer mehr Menschen.

    P.S. Das imaginäre Kapital beträgt wohl ca. das 20 fache der realen Warenwirtschaft. Krisen der Aktienmärkte schlagen sich deshalb in der Regel sehr wohl auf die Realwirtschaft nieder, da einigen Kapitalbesitzern das vermeintliche Vermögen abhanden kommt und dann kann man sich schlicht nichts/weniger kaufen. Das hat dann weniger mit Kaufpsychologie zu tun sondern mit harten Fakten.

  • I
    ilona

    Wenn es so einfach wäre. Die ungezügelten Auswüchse der Finanzmärkte sind nicht die Ursache für die Krisen der Realwirtschaft, sondern Symptome für deren Substanz-verlust. Verschuldung, Wachstumsrückgang, Arbeits-losigkeit.... Einfach wieder regulieren, neue Produkte wie Euro Bonds, dann klappt's auch mit dem Wachstum?

     

    Illusion. In Wahrheit ist es umgekehrt. Der real produzierende Kapitalismus stößt längst an die Grenzen seiner Möglichkeiten, zuerst in den USA. Arbeitsplätze wurden abgebaut, abgewertet, umstrukturiert, ausgelagert – überflüssig! Effizienzsteigerung, die Microelektronik und eine Fusionswelle beschleunigten diese Entwicklung. Ersatz musste her: Die Dienstleistungsbranche, vor allem Finanzdienstleister! Diese versorgten jetzt neue oder schwächelnde Unternehmen und einkommensschwache Privathaushalte wieder mit Geld in scheinbar unlimitierter Menge: das brachte die stagnierende Realwirtschaft wieder in Schwung, z.B. die Immobilienwirtschaft, die Rüstungs-industrie, die New Economy. Arbeitsplätze, Konsum, Aufschwung! Und die Börse boomte. Der Rest der Welt zog mit.

     

    Ein trügerisches Wachstum auf Pump, das nicht mehr durch reale Arbeit künftiger Generationen gedeckt werden kann. Während Entwicklungsländer mit unserer ausgelagerten Arbeit rasant zu "Emerging Markets" aufsteigen.

    Paradox: Ohne diese Geldblasen produzierende Finanz-wirtschaft mit ihren absurden Finanzmanipulationen wäre der Dinosaurier Kapitalismus wohl schon längst abgesoffen – wie der Sozialismus in Osteuropa. Darum 'muss' man sie stützen.

    Aber irgendwann kommt die Stunde der Wahrheit. Kassensturz. Insolvenz. Wie bei einem verschuldeten Privathaushalt, wo trotz sinkender Einkommen und Übersättigung ungehemmt weiterkonsumiert wird bis zum bitteren Ende. Irgendwer wird schon zahlen.

     

    Woher sollen in Zukunft weltweit sinnvolle und lukrative Arbeitsplätze für 3...4...5 Milliarden Menschen kommen, auf welchen Äckern und in welchen Meeren soll die (gesunde) Nahrung für 7...8...10 Milliarden Menschen wachsen? Auf welchen Straßen sollen 2 Milliarden Autos eine flüssige Mobilität sichern – und wozu?

    Wir haben nicht nur eine Krise der Finanzmärkte zu bewältigen, sondern eine Krise des SYSTEMS: Wachstum durch Arbeit, Ausbeutung, Expansion, Konsumsteigerung, es funktioniert nicht mehr.

     

    Der renitente Kapitalismus leidet an Altersschwäche und siecht seinem Ende entgegen wie die niedergegangenen 'Arbeiterstaaten' im Osten. Alle Wiederbelebungsversuche bringen nur kurzfristige Erfolge, der nächste Rückfall wird dann um so schlimmer. Die Ratlosigkeit wächst...

    Aber seine Jünger geben nicht auf... denn was kommt danach? Der dümmliche Neoliberalismus ist schon jetzt blamabel gescheitert.