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■ Mit Algeriens Privatisierung auf du und duBörse öffnet wieder

Köln (taz) – Ende des Jahres ist es soweit: Die Börse in Algier öffnet 35 Jahre nach der Unabhängigkeit wieder ihre Tore. Ein symbolträchtiger Akt, mit dem die Regierung die Liberalisierung der einstigen Staatswirtschaft feiert. Ab dann werden die ehemaligen Staatsbetriebe nach und nach Käufer suchen. 100 Unternehmen werben bereits seit drei Monaten um in- und ausländische Investoren. 250 sollen bei Börsenöffnung folgen. Die restlichen 1.500 Klein-, Mittel- und Großbetriebe werden in den nächsten zwei Jahren in die freie Marktwirtschaft entlassen – soweit es möglich ist, sie zu verkaufen.

Wegen mangelnder Rentabilität wurden bereits 200 Unternehmen geschlossen. Zehntausende haben ihren Arbeitplatz verloren. Allein die Holding Public Mecanique wird bis zum Jahr 2000 ihre Belegschaft von einst 45.000 auf 25.000 reduzieren. In anderen Bereichen sieht es nicht besser aus. Bereits heute steht in Algerien jeder dritte auf der Straße.

Drei Typen von Aktienkäufern sollen gewonnen werden. Neben den ausländischen Großinvestoren richtet sich das Angebot an die einheimische Oberschicht. Die Belegschaft kommt nur dort zum Zug, wo wenig lukrative Abteilungen aus Großunternehmen ausgelagert werden. Die Beschäftigten sollen diese dann in Eigenregie weiterführen.

Die algerische Regierung feiert das harte, vom IWF angeleitete Umstrukturierungsprogramm als Erfolg. Nach dem faktischen Bankrott vor nur vier Jahren blickt Algerien jetzt wieder auf Devisenreserven von 7 Milliarden Dollar. Die Inflation wurde von knapp 40 auf 15 Prozent gedrückt. Das Wirtschaftswachstum zeigt mit 5 Prozent nach oben.

Was ausländische Interessenten bemängeln, ist die geringe Flexibilität der Verwaltung und des Bankwesens. Das erste Problem will die Regierung mit großzügigen Reformen lösen, das zweite soll der freie Wettbewerb bezwingen.

Den Deutschen Investoren brennt ein weiteres Thema auf den Nägeln: die Hermes-Bürgschaften. Zwar sichert die Bundesregierung das Risiko im Algerien-Geschäft voll ab, doch trägt das nordafrikanische Land Risikostufe 5. Die hohen Versicherungsprämien verteuern das Geschäft. Sowohl aus Algier als auch aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie werden die Stimmen nach einer niedrigeren Einstufung immer lauter; es habe noch nie Zahlungsprobleme gegeben. Das mag so sein. Doch die prekäre Sicherheitslage für Ausländer in Algerien läßt sich nicht wegdiskutieren. Reiner Wandler

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