Böhmermann nimmt sich Auszeit: „Kleine Fernsehpause“
ZDF sichert Satiriker volle rechtliche Unterstützung zu +++ NEU: ZDF zu Dauer der Fernsehpause, SPD-Vize Stegner wirft Merkel mangelndes Urteilsvermögen vor
Laut ZDF sollen in den nächsten vier Wochen, bis zum 12. Mai, keine neuen Ausgaben von Böhmermanns Sendung „Neo Magazin Royale“ produziert werden. Böhmermann begründete seine Bildschirmpause auf Facebook damit, es gebe „möglicherweise bedeutsamere Themen als die Diskussion um ein in einer Satire-Sendung vorgetragenes Gedicht“. Er wolle der Öffentlichkeit und dem Internet die Gelegenheit geben, sich „mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla“ konzentrieren zu können.
Böhmermann hatte am 31. März in seiner Sendung ein als „Schmähkritik“ betiteltes Gedicht vorgetragen, um an dem Beispiel die Grenzen von Satire und Meinungsfreiheit zu erörtern. Erdogan wird darin mit Worten unter der Gürtellinie angegriffen. Ankara forderte daraufhin eine Strafverfolgung Böhmermanns, die die Bundesregierung am Freitag bewilligte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erteilte die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Willen des Koalitionspartners SPD.
Das ZDF hatte am 1. April die Böhmermann-Sendung aus der Mediathek gelöscht. ZDF-Intendant Thomas Bellut sagte dem „Spiegel“, er halte den Beitrag für einen Grenzfall: „Man kann das so oder so sehen.“ Die Entscheidung zur Entfernung aus der Mediathek habe er aufgrund seines „persönlichen moralischen Wertesystems“ getroffen. „Ich habe es mir nicht leicht gemacht“, sagte Bellut. Der ZDF-Intendant bekräftigte zugleich, der Sender stehe hinter dem Satiriker: „Wir gehen mit ihm durch alle Instanzen.“
Kritik an Merkel
Kontrovers wurde derweil weiter das Vorgehen Merkels diskutiert. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach kritisierte die Ermächtigung der Kanzlerin zur Strafverfolgung. „Ich bedauere die Entscheidung und hoffe, dass der Türkei eine Lektion in Puncto Meinungsfreiheit erteilt wird“, sagte Bosbach. Die Bundesregierung habe offenbar wegen des Flüchtlingsabkommens der EU mit der Türkei Rücksicht auf Ankara nehmen müssen.
Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) widersprach dagegen den SPD-Ministern Frank-Walter Steinmeier und Heiko Maas, die eine Ermächtigung zur Strafverfolgung abgelehnt hatten. „Die Bundesregierung hat richtig entschieden, es den unabhängigen deutschen Gerichten zu überlassen, welche rechtlichen Konsequenzen aufgrund dieses Vorganges zu ziehen sind“, sagte Schily.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner nannte die Böhmermann-Entscheidung eine „Blamage für Angela Merkel, weil sie bei der Abwägung von Staatsaffäre und Satire mangelndes Urteilsvermögen bewiesen hat“. Der SPD-Teil der Regierung habe sich „für die Vernunft“ entschieden und die Kanzlerin „dagegen“, sagte Stegner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen