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Blutig gesichtsgeschädigte Wiedergänger

■ Immer „Action!“, niemals „Cut!“: Die Italo-Splatternacht im 3001 huldigt einmal mehr der unerträglichen Grausamkeit der langen Einstellung

Manchmal bleibt der Blutrausch in der Post stecken. Da die Macher des 3001-Kinos nicht garantieren können, dass die Filmrolle mit dem Dschungel-Fetzer Zombies unter Kannibalen auch rechtzeitig zur rüden „Splatter alla rabiata“-Nacht am Sonnabend ankommt, wütet nun Lucio Fulcis Insel-Irrsinn Voodoo – Schreckensinsel der Zombies (Foto) stellvertretend über die Leinwand. In dem Bloody-Beach-Werk von 1979 verbeißen sich die Untoten in alles, was sowohl Fisch als auch Fleisch ist. Ort der Handlung ist das Hafenbecken von New York, die Bedrohung durch die epidemistisch gezeichneten Zombies trägt zunächst urbanen Charakter, nur um dann in der idyllischen Karibik fortgesetzt zu werden. Die Kamera taucht unter, und ein Hai zieht bedrohlich seine geruhsamen Bahnen. Urplötzlich prischt ein Zombie aus dem Korallenriff hervor und macht dem Ozean-Killer per Flossenbiss den Garaus.

Fulci, der stets wie ein unzufriedener Wirtschaftswissenschaftler aussah, durchmischte in seinen kultisch verehrten Zombie-Reißer zahlreiche Horrormotive: Ein rasender Reporter betritt mit einer Tochter, die ihren Vater sucht, eine Insel, auf der durch Voodoo-Zauber wiederbelebte Untote und zu allem entschlossene Kannibalenstämme ein blutig Miteinander fristen. Und zu allem Übermut wirbelt mittendrin noch ein „Mad Scientist“ durchs Laub, der sich mithilfe eines geheimnisvollen Super-Elixir einen omniresistenten Übermenschen züchten will. Fulci zelebrierte hier wie so oft sein Autoren-Trademark: die unerträgliche Grausamkeit der langen Einstellung. Ob da nun Köpfe von Zombiehänd zerrissen, menschliche Körper von Innen nach Außen gestülpt werden oder liebliche Augäpfel von langen Holzsplittern durchbohrt wurden, Fulci rief immer „Action!“, aber niemals „Cut!“.

Ein ähnliches Motiv hat auch der zweite Splatter-Regisseur des Abends verinnerlicht: In Großangriff der Zombies von 1980 paart Umberto Lenzi die morbide schlendernden Killer mit einer mauen Form von Kernkraft-Kritik. Eine radioaktive Gaswolke macht aus Menschen Menschenmörder, eine Invasion des Schreckens bahnt sich an. Ein General (sich des Ernstes der Lage bewusst: Mell Ferrer) sowie ein Vertrauter aus der Welt der Medien nehmen sich der Aufgabe an. Lenzi verbirgt bei diesem Machwerk kaum seine Herkunft als Hersteller fragwürdiger Erotikstreifen. Ähnlich wie ein Pornofilm konzipiert, ordnete der kleine Brillenträger Lenzi sein Augenmerk auf die zahlreichen Splatter-Nummern, um die herum er eine dramaturgische Ansammlung unglaublicher Dialogszenen gruppiert. Der im Genre geschätzte Ausruf „Let's get the hell out of here!“ nimmt sich dabei noch wie eine dadaistische Kunstformel aus.

Oliver Rohlf

Voodoo – Schreckensinsel der Zombies / Zombies unter Kannibalen:Samstag, 4. September, ab 22.30 Uhr, 3001

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