: Blüm kappt Arbeitslosenhilfe
■ Der Bundesarbeitsminister empfiehlt: Lohnersatz regelmäßig überprüfen
Bonn/Frankfurt (dpa/taz) – Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) will der Arbeitslosenhilfe an den Kragen. Gut ein Jahr nachdem die Lohnersatzleistungen generell gesenkt wurden, soll diesmal allerdings nicht flächendeckend, sondern individuell gekürzt werden: Künftig soll bei jedem Bezieher von Arbeitslosenhilfe jährlich überprüft werden, ob die Höhe noch angemessen ist. Wenn nicht, soll der Satz gesenkt werden. Es gehe nicht an, so erklärte Blüm am Wochenende gegenüber der Presse, daß ein Ingenieur für den Rest seines Lebens Arbeitslosenhilfe nach dem letzten Gehalt, das er bekommen habe, beziehe. Bei den Zahlungen müsse, wie es das Arbeitsförderungsgesetz schon jetzt in einem Dreijahresrhythmus vorsehe, regelmäßig überprüft werden, inwieweit der einzelne noch vermittelbar sei.
Informationen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), wonach die Arbeitslosenhilfe künftig alle drei Jahre pauschal um zehn Prozent gesenkt werden soll, bezeichnete Blüm als unrichtig. Der Satz müsse noch festgesetzt werden.
Der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) kündigte umgehend „entschlossenen Widerstand der Sozialdemokraten“ gegen diese Pläne an. Solche Vorhaben würden in Ostdeutschland Hunderttausende ins Elend treiben, so Stolpe. Mehr als die Hälfte der Arbeitslosenhilfeempfänger im Osten seien schon jetzt auf Sozialhilfe angewiesen. Weitere Kürzungen könnten nicht hingenommen werden.
Wie der DGB berichtet, soll nach einem internen Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums der pauschale Abschlag so weit möglich sein, bis sich die Unterstützungsleistung nur noch an den unteren Tariflöhnen orientiere. Die Lebensumstände des einzelnen sollten in Zukunft nicht mehr berücksichtigt werden. Nach Ansicht des DGB würden dadurch noch mehr Arbeitslose wissentlich in die Armut getrieben.
Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus verursachen steigende Kosten bei der Arbeitslosenhilfe eine zusätzliche Neuverschuldung des Bundes. Statt 18 Milliarden Mark, die ursprünglich eingeplant waren, müsse der Bund in diesem Jahr 20 Milliarden aufbringen. Das Blatt beruft sich in seinem Bericht auf Informationen von Experten im Bundesarbeitsministerium.
Nicht nur den Arbeitslosen, sondern auch den Frührentnern will Blüm die Bezüge kürzen. Entsprechende Vorschläge seines Hauses, wonach die Altersbezüge pro vorgezogenes Rentenjahr um 3,6 Prozent sinken, sollen noch in diesem Jahr in Gesetzesform gegossen werden. Nach neuesten Berechnungen des Arbeitsministeriums wird es in diesem Jahr 300.000 Frührentner geben. „Diese Kosten sprengen unsere Rentenkasse“, erklärte Blüm.
Die Änderung des Vorruhestandes wird Thema bei der nächsten Kanzlerrunde im Dezember sein. „Wenn die Sozialpartner mitziehen, kommt noch in diesem Jahr ein neuer Gesetzentwurf“, erklärte der Minister.
Als mögliche Angebote an die Arbeitnehmer nannte Blüm „eine vorzeitige Teilrente in Kombination mit einem Teilzeiteinkommen. Hinzu kann ein Arbeitszeitkonto kommen, auf dem der Arbeitnehmer in jungen Jahren durch Mehrarbeit ein Plus verbucht, von dem er später zehren kann, wenn er weniger arbeiten möchte.“ Eine solche Lösung schone die Rentenkasse und stütze damit die Rentensicherheit, betonte der Arbeitsminister. Die geplante Kürzung der Altersbezüge um rund 3,6 Prozent pro vorgezogenes Rentenjahr kann laut Blüm „durch freiwillige Beiträge ausgeglichen werden. Auf die können sich die Tarifpartner einigen.“
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