Bloggen gegen italienische Politiker: Der anonyme Enthüller
Er wurde nach 15 Jahren Arbeit im Parlament entlassen und rächt sich nun im Netz: Der Blogger "Spidertruman" zieht über die italienischen Politiker her.
Hat nun auch Italien seinen Julian Assange? Innerhalb weniger Tage gewann ein Anonymus mit dem Spitznamen "Spidertruman" mehr als 340.000 Facebook-Fans und verzeichnete einen Riesenansturm auf sein Blog. Sein Angebot: Dutzende von Dokumenten über die italienischen Parlamentarier, auch "die Kaste" genannt.
Es geht um Listen der Rabatte und Gefälligkeiten, die italienische Politiker genießen, von der Telefongesellschaft bis hin zu günstigerem Benzin. Auf einer eingescannten Liste ist etwa zu lesen, dass Peugeot den Parlamentariern Preisnachlässe von bis zu 20 Prozent gewährt. Natürlich gebe es auch ähnliche Vergünstigungen bei anderen Autobauern, die er bald veröffentlichen werde, schreibt der anonyme Blogger. Doch das ist noch nicht alles: Trotz Sicherheitskontrollen würden immer mehr Laptops oder Brieftaschen als gestohlen gemeldet. Der Blogger hat dafür eine einfache Erklärung: "Eine Versicherung deckt alle Diebstähle, die im Montecitorio verübt werden, ab."
Es ist altbekannt, dass die italienischen Politiker keinen guten Ruf im Volk haben. Nicht nur wegen ihrer Unfähigkeit, die Bedürfnisse und Wünsche der Bürger zu verstehen, sondern vor allem wegen ihrer Privilegien. Mit 15.500 Euro im Monat sind die italienischen Parlamentarier die bestbezahlten Europas. Weit abgeschlagen folgen die Österreicher mit 8.600 Euro pro Monat, während die deutschen Abgeordnete ein "ärmliches" Gehalt von 7.600 Euro pro Monat beziehen. Laut dem Sender Radio Radicale betragen die Kosten des Parlaments jährlich 139 Millionen Euro.
Was will nun "Spidertruman" genau? Ihm geht es nicht um Wahrheit, sondern um Rache. Wie er auf seinem Blog "isegretidellacasta" (Die Geheimnisse der Kaste) schreibt, war Spidertruman ein prekär Beschäftigter im Palazzo Montecitorio, dem Sitz des italienischen Parlaments - und wurde nach 15 Jahren gefeuert. Als reine Racheaktion gegen die Oberen wirken die Enthüllungen des "Spaghetti-Hackers" auf Facebook wie ein Virus: Jemand schlägt vor, Demos zu organisieren; andere fordern gleich Lynchjustiz.
Und was macht die Kaste? Sie wird genau dem Bild gerecht, das sich die Öffentlichkeit von ihr gemacht hat: Letzte Woche, nachts, in aller Stille, hat der Senat die jüngste Reform der Politikergehälter durchfallen lassen: Das neue Gesetz hätte das Grundeinkommen der Parlamentarier um 50 Prozent reduziert. In diesem Chaos klingen die Worte, die jemand auf Spidermans Facebook-Seite hinterlegt hat, fast schon weise: "Eines sollten wir nicht vergessen: Dass wir es sind, die die Politiker wählen, dass sie nur der Spiegel dessen sind, was wir sind."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?