piwik no script img

Blockupy-Proteste"Das schürt nur Reformillusionen"

Die politische Aktivistin Marlies Sommer glaubt nicht, dass der Kapitalismus durch Umverteilung sozialer wird. Bei Blockupy war sie trotzdem dabei.

Er sieht das offensichtlich anders als Malies Sommer: Blockupy-Demonstrant in Frankfurt. Bild: dpa
Christian Jakob
Interview von Christian Jakob

taz: Frau Sommer, viele Blockupy-Demonstranten wollen ein Ende der „europäischen Verarmungspolitik“, Griechenland soll sich nicht zu Tode sparen müssen. Sie geißeln das als Linksreformismus. Warum?

Marlies Sommer: Weil es naiv ist zu glauben, dass man den Kapitalismus durch Umverteilungspolitik sozialer machen kann. Etwa nach dem Motto: „Geld ist genug da“ – dieser Slogan war am Samstag auf der Demo zu hören.

Was ist daran falsch?

Kapitalistische Staaten sind dazu da, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu produzieren, da gibt es kein Vertun. Öffentliche Wohlfahrt ist diesem Ziel grundsätzlich untergeordnet. Diese Logik der Standortkonkurrenz lässt sich nicht durch Umverteilungspolitik austricksen.

Aber es gibt Stellschrauben, wie viel in welchen Taschen landet – und ob das zum Leben reicht oder eben nicht.

Marlies Sommer

Die 29-Jährige ist im kommunistischen Bündnis „Ums Ganze“ aktiv, das sich an Blockupy beteiligte.

Attac will die Kapitalertrags- und Finanztransaktions-, die Linke die Vermögenssteuer. Das schürt nur Reformillusionen und kratzt nicht mal an der Oberfläche von Standortkonkurrenz, Verwertungszwang und Lohnabhängigkeit. Soziale Zugeständnisse gibt es nur, wenn die Produktivität stimmt – denn sonst geht das Kapital woanders hin. Sozialstaat und autoritäre Arbeitsverwaltung gehen Hand in Hand.

Das heißt, die Linkspartei und Attac sollten ihre Reformbemühungen einstellen?

Sie sollen nicht so tun, als sei ein zweiter Fordismus möglich oder wünschenswert. Dieses Modell hat sich erledigt. Was bei den Sozialreformen bestenfalls herauskommt, sind Teilerfolge für deutsche Lohnabhängige. Aber was umverteilt werden soll, muss in der Standortkonkurrenz immer ganz konkret gegen andere erstritten werden. Deutschlands Erfolge sind nicht ohne die Niederlagen anderer Länder zu haben. Das Gleiche gilt für alle EU-Wachstumszonen.

Was fordern Sie?

Die Sozialdemokraten aller Parteien wollen das Modell schuldenfinanzierten Wachstums – auch in Griechenland – fortsetzen. Nötig ist aber, den kapitalistischen Markt zurückzudrängen. In vielen griechischen Kommunen sehen wir heute, dass aus der Not heraus die öffentlich Versorgung – Wasser, Elektrizitätsversorgung, Krankenhäuser – jetzt selbst organisiert werden kann. Das zeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, die gesellschaftlichen Bedürfnisse ohne kapitalistischen Markt zu organisieren. Das ist auch eine Frage von Enteignung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • J
    jonas

    Danke für das Interview, davon gerne mehr.

    Im Gegenzug vielleicht ein bisschen weniger des sonst gewohnten Bankenbashings. Das beflügelt nämlich solche regressiv-völkische, im Grunde auch antisemitische Kommentare wie den "von Augenwischer"...Nä!

     

    Beispiel Bankenbashing:

    http://taz.de/Kommentar-Blockupy/!93510/

  • -,-

    danke taz für dieses (zugegeben kurze und eher oberflächlich geführte) interview mit marlies sommer (ums ganze). damit finden endlich auch systemkritische positionen gehör in etablierten medien.

    genau diese thematik reform/revolution sollte innerhalb der linken/emanzipatorischen Spektren jetzt diskutiert werden.

    es gibt kein freies und gutes leben für alle im kapitalismus!

  • FS
    Freiheit statt Occupy

    Oh man ihr werdet echt alt. Zurück zu Mao. Jetzt posaunen hier schon Beton-Kommunisten ihren Müll herum als ob es die letzten 80 jahre nicht gegeben hätte. Lassen wir mal die Millionen Toten und die leichenberge zur Seite, davon wollt ihr eh nichts hören. Ich erinnere mich noch gut an die zerfallenen Städte, die Trsitesse und die Armut im Osten. Das war übrigens kein Zustand sondern eine Entwicklung. Dann dieses dumme Gelaber von Beton-Theoretikern, die Ursache und Wirkung noch nicht einmal kennen. In Griechenland gibt es eine halbsozialistische Planwirtschaft welche nur überleben konnte weil man im EU-Umverteilungsplan Mitglied war. Jetzt ist es vorbei. Das Problem ist, daß dort weder eine funktionierende Verwaltung noch ein undogmatischer nichtkorrupter Politiker existiert. Die halbstaatlichen Medien machen den Rest. Wir haben übrigens immer noch Schulden und Kosten weil Typen wie die "Aktivistin" 40 Jahre das Bauern- und Arbeiterparadies aufbauten. Inklusive Unterdrückung, Folter und Mord, was ja immer für die "Gute Sache" notwendig ist wenn solche Bescheidwisser ihre Sache umsetzen. Zum Glück sind es nur ein paar Pfosten aber die Anzahl dem Linksetremismus verpflichteten Journalisten in den Altmedien ist erschreckend.

  • Z
    zora

    schön, dass leute vom "ums ganze" - bündnis in der taz zu wort kommen. meinungsalternativen jenseits von attac usw. sind wichtig und müssen foren jenseits der klassischen linksradikalen szenenplattformen bekommen - gerade weil hier positionen vertreten werden die tatsächlich umdenken und nicht nur verkappt konservativ-nostalgisch oder aber ideologisch-verkürzend denken und analysieren.

    kompliment and die taz das lässt hoffen.

  • R
    rheinelbe

    Unrealistisch, weltfremd und gar nicht mehrheitsfähig. Natürlich muss alles, was umverteilt werden sollte, zuvor erst erwirtschaftet werden - was sonst? Anderenfalls gibt es eben Armut für alle.

     

    Frau Sommer sollte mal auf die tragikomische Geschichte der K-Gruppen in Westdeutschland in den 70er und 80er-Jahren blicken ...

  • T
    Tanja

    Lebensnotwendige Rohstoffe und Dienstleistungen gehören nicht in private Hand, das hat der Kapitalismus eindeutig gezeigt. Gierige Menschen holen raus was geht, ohne Rücksicht auf Menschenleben oder Umwelt. Auch Gesetze zur Einschränkung helfen nicht, das ist auch mehr als Bewiesen. Findige Juristen oder auch verbrecherische Machenschaften haben es immer wieder geschaft, Mensch und Natur auszubeuten. Solange Geld die Welt regiert sind Gerichte sowieso eine Farce. Ich stimme Frau Sommer zu, dass all die Parteien und Gewerkschaften, die nur einseitig ihre Wähler oder Mitglieder besser gestellt sehen wollen, rein gar nichts am Elend und der Zerstörung der Welt verhindern.

  • A
    Augenwischer

    Die Umverteilung ist erst einmal sekundär. Diese Bank-Monster stürzen mit ihrem zügellosen Treiben ganze Nationen in den Ruin. Die schrecken noch nicht einmal davor zurück mit Nahrungsmitteln zu zocken. Andere Menschen verhungern, weil sie ihre Nahrungsmittel nicht mehr bezahlen können-, und diese Unmenschen holen sich als indirekten Leichenschmaus noch ihr Boni.Dieser Schweine-Kapitalismus gehört abgeschafft. Und wenn unsere politischen Falstaffs hier nicht gewillt sind etwas zu ändern, wer kann dem Volk dann verdenken es selbst zu tun?