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Blockierte EU-HaushaltsverhandlungenAuch Merkels Fehler

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die EU muss gegenüber Ungarn und Polen klare Kante zeigen. Für die Eskalation ist aber auch die passive Rolle der Kanzlerin im Sommer verantwortlich.

Lieber wegducken? Angela Merkel war bei der Blockade von Ungarn und Polen passiv Foto: Olivier Hoslet/reuters

A ch Europa, wie tief bist Du gesunken! Mitten in der schlimmsten Krise seit Gründung der EU blockieren Ungarn und Polen das neue Gemeinschaftsbudget und den Corona-Aufbaufonds. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und sein polnischer Kollege Mateusz Morawiecki nehmen die Union in Geiselhaft, um ihre eigenen, hausgemachten Probleme mit Rechtsstaat und Demokratie zu kaschieren.

Das darf die EU nicht hinnehmen. Schließlich hat sie schon viel zu lange zugesehen, wie Orbán die Opposition knebelt und Morawiecki die Justiz an die Leine legt. Damit muss nun endlich Schluss sein. Brüssel darf es auch nicht länger hinnehmen, dass sich Orbán und seine Familie und andere Regierungschefs mithilfe von EU-Geldern bereichern.

Die EU-Politiker müssen daher hart bleiben – auch wenn dies die Verabschiedung des neuen Gemeinschaftshaushalts und den Start des Corona-Aufbaufonds verzögert. Der Fonds kann ohnehin erst im zweiten Halbjahr des nächsten Jahres starten; das war schon vor der Budgetkrise abzusehen. Daher kommt es auf ein paar Wochen mehr oder weniger auch nicht mehr an.

Es wäre jedoch zu einfach, die Schuld allein bei Orbán und Morawiecki zu suchen. Sie haben ihr Veto gegen das EU-Finanzpaket lange und laut genug angekündigt. Kanzlerin Angela Merkel und der deutsche EU-Vorsitz wussten, was auf sie zukommt – doch sie haben die Drohungen als „Bluff“ abgetan. Das war ein Fehler.

Merkel hat sich aber noch einen weiteren, schweren Patzer geleistet. Beim entscheidenden EU-Gipfel im Juli, bei dem das Finanzpaket ausgehandelt wurde, hat sie den Rechtsstaat hintangestellt. Tagelang wurde um das Geld gefeilscht, erst ganz am Ende ging es um das Recht. Doch der Gipfelbeschluss zum Rechtsstaat war windelweich.

Merkels Appeasement

Auch der Vorschlag des deutschen EU-Vorsitzes, der erst Wochen später kam, bot keinen ausreichenden Schutz. Erst das Europaparlament hat den Rechtsstaatsmechanismus nachgebessert und scharf gestellt. Die Kanzlerin hat sich herausgehalten, so als ginge sie der Streit nichts an.

Das rächt sich nun. Merkel hat nicht Führung gezeigt, sondern Appeasement betrieben. Doch es könnte noch doller kommen. Nun könnte die Kanzlerin auch noch versuchen, den Schwarzen Peter dem Parlament zuzuschieben und zum alten, zahnlosen Vorschlag des deutschen EU-Vorsitzes zurückzukehren – um des lieben Friedens willen.

Das darf nicht geschehen. Merkel muss Farbe bekennen und für den Rechtsstaat kämpfen. Beim EU-Videogipfel am Donnerstag hat sie dazu eine erste gute Gelegenheit. Bei aller berechtigten Wut auf Orbán und Morawiecki: Diese Krise ist auch Merkels Krise. Sie zeigt, was passiert, wenn man ernste Probleme zu lange vor sich herschiebt.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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5 Kommentare

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  • Die Diktatoren versuchen in Trumpscher Manier ihre Europartner zu erpressen und ihr Volk mit Fakenews zu steuern, während sie sich (und ihrer Familie) die privaten Taschen füllen. Und das ist möglich, obwohl die EU-Verträge Rechtsstaatlichkeit für Mitglieder festlegen. Es wird immer verrückter.

  • Zustimmung! Eine Diplomatie, die an vorausgegangene Gleichgültigkeit anknüpft, ist eigentlich keine. Die EU muss endlich aufhören, auf die eigennützigen Bedürfnisse eines Herrn Orbán oder eines Herrn Morawiecki Rücksicht zu nehmen und stattdessen wieder die Interessen der polnischen und ungarischen Bevölkerung in den Blick zu nehmen. Dazu gehört nach wie vor immer noch, elementar und untrennbar eine Garantie für Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Wer das lieber nicht möchte, ist in der EU schlicht falsch am Platz.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - das Fott nisch - 🤫 /

    “ Frau Merkel ist müde..







    "Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,



    wenn wir den Drang des Ird`schen abgeschüttelt,



    das zwingt uns still zu stehen. Das ist die Rücksicht,



    die Elend lässt zu hohen Jahren kommen,



    Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel....



    [....]



    Den Übermut der Ämter und die Schmach,



    die Unwert schweigendem Verdienst erweist..."



    (Hamlet by William S. "Sein oder Nichtsein")

    kurz - SCHUUUUUULLLZZZ - 😱 -

  • "Ach Europa, wie tief bist Du gesunken!"So weit, so richtig.

    Das Problem ist doch, dass ein Rechtssaatsmechanismus nix in Budgetverhandlungen zu suchen hat. Die Frage von Rechten, Pflichten, Verstößen und deren Ahndungen gehören in die Grundlagenverträge. Dort müsste geregelt werden, wann und in welchen Fällen etwaige Gelder gegebenenfalls einbehalten werden.

    Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass dieser Rechtsstaatsmechanismus nicht Gegenstand der Beratungen war. Erst dieses obskure Parlament hat sich über alle Regeln in dieser Frage hinweggesetzt und hofft in erpresserischer Manier die beiden Länder an die Leine zu legen. Frau Barley heut morgen im Deutschalndfunk "Die EU sitzt am längeren Hebel". Sie hat wohl schon vergessen, dass Polen und Ungarn Mitglieder der EU sind.

    Mal schauen, wie uns das Parlament aus dieser Situation wieder herausmanövrieren wird. Ich hab da eher geringe Erwartungen.

    • @DiMa:

      It‘s politic stupid - 🤫 -