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Bizarrer Schwulentest fürs SmartphoneDas Recht, Großmutter zu werden

Anhand banaler Fragen will eine App feststellen können, ob der Sohnemann ein Homo ist. Dabei reproduziert sie die Klischees, mit denen junge Schwule auf dem Schulhof kämpfen.

Stempel drauf: die 1,99-Euro teure App diskriminiert, ist aber so angelegt, dass rechtlich nicht gegen sie vorgegangen werden kann. Bild: Photocase/view7

BERLIN taz | Woher wissen Sie eigentlich, dass mit Ihrem Sohn alles in Ordnung ist? Was treibt der Kleine denn immer so lange im Badezimmer und haben Sie nicht kürzlich erst Ihren Lippenstift vermisst? Warum hat er nie Schrammen, selten Hunger und ständig diese Puppe im Arm? Was ist eigentlich seine Lieblingsfarbe? Und was denken die Nachbarn?

Ganz ruhig! Denn mit der französischen Smartphone-App "mon fils est-il gay?" (dt: "ist mein Sohn schwul?") können Sie alle Zweifel ausräumen. Alle Zweifel, immerhin, über das Fortbestehen der kognitiven Schubladen, in die junge Schwule immer noch gepresst werden. Und die nahelegen, dass ein frühes Coming-Out die Persönlichkeitsbildung doch oft einschränkt, statt sie zu fördern.

Denn wer sich schon während der Pubertät an den immergleichen Klischees abarbeitet, hat weniger Raum für Entdeckungstouren abseits der heteronormativen Trampelpfade. Nein, ich gehe nicht in Darkrooms. Nein, es gibt nicht Mann und Frau in schwulen Beziehungen. Nein, ich möchte dich nicht beim Shoppen beraten. Statt ständig erklären zu müssen, was sie nicht sind, sollten junge Schwule sich selbst fragen dürfen, was sie sein wollen.

Die unliebsame App reproduziert die gängigen Klischees in erschreckend unverhohlener Stumpfheit. Zwanzig Fragen mit dem wissenschaftlichen Gehalt einer Eva-Hermann-Abhandlung. Zwei mögliche Resultate, die aller Graustufen entbehren. Ist ihr Sohn ein ungewaschener, sportbegeisterter Raufbold: Herzlichen Glückwunsch, "Sie haben weiter die Chance, Großmutter zu werden, mit allen Freuden, die das mit sich bringt!" Sollte der Sprössling aber Schlägereien meiden, Musicals mögen oder gar ein Piercing tragen: Leider verloren. "Unnötig sich etwas vorzumachen, er ist schwul", müssen die bestürzten Eltern in der Testauswertung erfahren.

"Unnötig, sich etwas vorzumachen"

Statt lästiger zwischenmenschlicher Auseinandersetzungen also digitales Kaffeesatzlesen zum Download-Preis von 1,99 Euro. Bleibt zu hoffen, dass nur wenige Eltern die Inquisitions-App ernst nehmen. Aber das müssen sie auch nicht, erklären die Entwickler von emenne-moi in einer Reaktion auf die mannigfachen Proteste. Man halte die App für legitim, da "eine Mutter das Recht habe, zu erfahren, ob ihr Sohn schwul ist". Die Herangehensweise sei jedoch "eher spielerisch" und "nicht wissenschaftlich".

Bei Interessensgruppen jedenfalls fällt das Lachen verhalten aus. In Stellungnahmen bezeichnen sie das Programm als erniedrigend und grob vereinfachend. So bedauert der Genfer Schwulen-Verband Dialogai auf seiner Website, "im Jahr 2011 noch erklären zu müssen, dass es auch Schwule gibt, die Fußball mögen oder Kinder zeugen".

Indes floriert der Markt für Smartphone-Apps: laut einer aktuellen Studie werden Nutzer in diesem Jahr weltweit 6,2 Milliarden Dollar in Downloads investieren. Viele der mehr als 425.000 momentan erhältlichen Anwendungen bieten Lebenshilfe mit dem Lernwert eines Anrufs im Neunlive-Astro-TV. Neben eher harmlosen "Liebt-er-mich?"- oder "Anti-Haarausfall"-Apps gelangen immer wieder auch diskriminierende und entwürdigende Programme in die virtuellen Store-Regale. So nahm Apple im März eine "Läuterungs-App" aus dem Angebot, die Schwule mit biblischen Lehren aus der Lasterhaftigkeit befreien wollte.

Erst vor zwei Wochen zwangen lautstarke Proteste den Konzern, eine Anwendung zu löschen, die es dem User erlaubte, sein Umfeld in Juden und Nicht-Juden zu unterteilen. Der Clou war dabei eine Hitliste prominenter Juden, die die meisten Abfragen auf sich vereinen konnten. In Frankreich jedoch verstieß das nicht nur gegen den guten Geschmack, sondern auch gegen geltende Antirassismusgesetze. Die verbieten es, Mitbürger anhand ihres ethnischen oder religiösen Hintergrunds zu katalogisieren und entsprechende Daten öffentlich zu machen.

Künstliche Trennlinie

Immerhin prophezeien Experten der App eine geringe Lebensspanne. Anders als bei der Juden-Detektor-App ist es aber schwierig, "ist mein Sohn schwul?" auf dem Rechtsweg den Stecker zu ziehen. Das unterstreicht Stéphane Corbin, Frankreich-Spreicher des LGBT-Verbands (Lesbian Gay Bisexual Transgender) im Gespräch mit France Soir.

So wäre es beispielsweise möglich, entsprechende Schritte einzuleiten, wenn die App "Welche Person ist schwul?" hieße. Zwar sei die App zusätzlicher Ballast auf den Schultern junger Schwuler, indem sie artifizielle Trennlinien zwischen ihnen und "normalen" heterosexuellen Jugendlichen zeichne. Eine Klage wäre aber trotzdem aussichtslos, so Corbin. Nur eine neue Welle der Empörung kann die Inquisitions-App also aus dem Android-Markt spülen - nach Angaben von Google France steht sie bereits auf dem Prüfstand.

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9 Kommentare

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  • L
    lena

    mir geht die ganze heterei auf die nerven. ständig werden wir konfrontiert mit den neuesten heteroliebeleien der stars, werden wir konfrontiert mit den hetero-ehepartnern und ehepartnerinnen von politikern und politikerinnen? wen interessiert das? die frau von präsident wulff macht dies oder das? kann sie das nicht auch machen, ohne dass benannt wird, mit wem sie vermutlich geschlechtsverkehr hat? ich sag ja auch nicht, dass ich das eklig finde, von mir aus können die es treiben wie sie wollen.

  • A
    Antwort

    - Warum dürfen 50jährige Frauen christlich heiraten wenn die keine Kinder mehr kriegen und die Kirchen-Ehe nur für Kinderkriegen ist ? (Hella von Sinnen ich glaube bei Maischberger/n-tv)

    ________

     

    Das dürfen die nicht! Jedenfalls wurde letztes Jahr in Italien einem ca 60-jährigen verwitweten Paar die kirchliche Heirat verboten.

    Begründung:

    Die Fortpflanzungsfähigkeit sei nicht gegeben und daher würde ein Zusammenleben nur zu Unzucht führen.

  • WN
    Wieso nicht Gegen-App

    Man könnte ja eine template-basierte Gegen-App gründen:

    Sind sie .... ?

    Dann lädt man Module runter und hat dort Fragen drin wie

    - Betrügen sie ihre Frau ?

    - Haben sie geheime Kinder ?

    - Zahlen Sie Unterhalt ?

    - Haben sie raubkopierte Bilder auf ihrer Webseite ?

    - Haben sie oder ihre Kinder Dr-Arbeiten gefälscht ?

    - Warum hat Gott die Dinosaurier-Knochen vergraben wenn es keine Evolution gibt ?

    - Warum dürfen 50jährige Frauen christlich heiraten wenn die keine Kinder mehr kriegen und die Kirchen-Ehe nur für Kinderkriegen ist ? (Hella von Sinnen ich glaube bei Maischberger/n-tv)

    ...

    Dann immer die Namen von Politikern die damit negativ aufgefallen sind. Daher auch die Lokalisierung und runterladung von Modulen für jeweilige Länder und Gegner.

    Eine Vergeltung für Volks-Verarschung.

     

    Man sieht dann auch die beliebtesten Module und unbeliebtesten Politiker.

    "Sind sie Konservativ ?"

    "Sind sie reaktionär ?"

    "Sind sie Korrupt ?"

    "Machen Lobbyisten ihre Arbeit ?"

    "Unterdrücken sie interne Parteikritik ?"

    "Sind sie Basta-Diktator ?"

    ...

    Leider haben die Schwulen wohl keine Lust, ihr Leben mit solcher Software zu verbessern.

    Gegendemonstration kann auch auf App-Level stattfinden und nicht nur im Straßenkampf.

  • S
    smart-phone-test

    Wenn die Linke oder Piraten besser wären, würden sie bessere Apps anbieten statt erst auf Steuerkosten gewählt zu sein und dann als rot-grün den Ausbau zu vermasseln.

     

    Seid doch froh das die Rechten nicht schlaue Apps aufbauen. Aber statt Alternativen zu bieten, wird gejammert und kritisiert. Sowas lenkt oft nur ab, das man selber nichts hat.

  • D
    Dominic
  • I
    Iver

    Ja, und wo kann ich mich beschweren?

  • A
    alabasta

    ...die Menschheit: technisch im 21. Jahrhundert angekommen - menschlich und mental zu einem großen Teil noch im späten Mittelalter verharrend...

  • DS
    Die Stimme aus dem Off

    Herrlich, endlich ist die Meinungsfreiheit wieder ein Stück beseitigt.

  • O
    oliberlin

    Diese unsägliche App gibt es auch in Englisch. Ich habe beide schon gemeldet, das sollten andere Android-User auch tun.