: Bittere Pillen bei „Schoko“-Ludwig
Trotz Millionengewinns soll die Belegschaft mehr schuften für weniger Geld – Vorbild für die Branche? Der Betriebsrat und die CDU-Arbeitnehmer sprechen von Erpressung ■ Aus Aachen Michael Franken
Eigentlich können Peter und Irene Ludwig zufrieden sein. Sein Geschäft mit den Trumpf-Schogetten läuft wie geschmiert. 1995 machte das Aachener Unternehmen 571 Millionen Mark Umsatz, und Kunstsammler Ludwig fuhr einen Rekordgewinn von knapp 20 Millionen Mark ein. Doch nun gibt es Ärger. Ludwig will „Sozialabbau mit der Brechstange“ durchsetzen, so der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Jan Geffken.
Vor einer Woche präsentierte der Geschäftsführer des Aachener Unternehmens, Franz-Josef Zimmermann, einen Streichkatalog: unter anderem die Kürzung des Urlaubs von 30 auf 27 Tage, die Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 40 Stunden, Wegfall sämtlicher Überstundenzuschläge, Wegfall von Sonderurlaub für Arztbesuche; Kündigungsschutz ab dem 50. Lebensjahr soll es auch nicht mehr geben, die Betriebsrenten sollen eingefroren werden.
Ludwigs Köder für diese zartbittere Pille: Wenn die Belegschaft diese Forderung akzeptiert, gebe es drei Jahre lang keine betriebsbedingten Kündigungen. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 1.400 Mitarbeiter. In Saarlouis und Quickborn bei Hamburg laufen Pralinen und Schokoriegel vom Band, in Aachen sitzt die Verwaltung. Peter Mogga, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) in Aachen, sagt: „Die Firmenleitung setzt die Belegschaft massiv unter Druck. Sie droht mit der Abwanderung der Arbeitsplätze nach Polen, falls das Streichkonzert nicht akzeptiert wird.“
In Aachen wurde dem Betriebsrat eröffnet, daß die 70köpfige Verwaltung in weniger als einem Jahr geschlossen wird, wenn Ludwigs Pläne nicht bis zum 31. Dezember 1996 akzeptiert worden sind. Auf einen Brief des Gesamtbetriebsrats antwortete Ludwig, daß „ich aus meiner Sicht Ihnen versichern muß, daß der Abbau von Produktion ins Ausland keine leere Drohung“ ist.
„Die Geschäftsführung zählt zu den bekanntesten Gewerkschaftshassern in der Süßwarenindustrie“, meint Peter Mogga von der Aachener NGG. Und weil Ludwig schon lange mit der Tarifpolitik des Arbeitgeberverbandes unzufrieden gewesen ist, habe der Kunstsammler seine Mitgliedschaft zum 30. Juni gekündigt. Mit den Drohungen soll die Belegschaft nach Ansicht der NGG „weichgekocht“ werden. Peter Mogga ist überzeugt, daß der Krach bei Ludwig in der Süßwarenbranche aufmerksam beobachtet wird. „Der Ausgang dieses Konfliktes wird mit darüber entscheiden, ob auch andere Unternehmen ihr Heil in der Verbands- und Tarifflucht suchen“, glaubt er.
Rainer Eppelmann, Vorsitzender des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, bezeichnet Ludwig als kunstbeflissenen „Erpresser“. „Wenn der Ludwig sich in China mit dem millionenschweren Neubau eines Kunstmuseums Freunde machen will, dann soll er das tun. Aber bitte schön nicht auf Kosten der Belegschaften seiner Werke“, so Eppelmann.
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