Bischof attackiert Rom

■ Scheidender katholischer Bischof von Innsbruck sieht Schreibtischtäter im Vatikan

Berlin (taz) – Eine Abrechnung des katholischen Bischofs von Innsbruck, Reinhold Stecher, mit der Politik des Vatikan sorgt in der katholischen Kirche der deutschsprachigen Länder für Unruhe. Der 75jährige scheidene Bischof greift in einem Brief, der in Auszügen in der Süddeutschen Zeitung am Wochenende veröffentlicht wurde, die Kirchenleitung scharf an.

Die Oberen nähmen die Lage der Kirche an der Basis nicht zur Kenntnis, es bestehe ein „theologisches und pastorales Defizit“. Stecher wirft seinen Vorgesetzten in Rom vor, als „Schreibtischtäter“ zu agieren.

„Rom hat das Image der Barmherzigkeit verloren und sich das der repräsentativen und harten Herrschaft zugelegt“, schreibt der Bischof, der nach eigenen Angaben bereits „viele zustimmende Briefe von Pfarrern“ erhalten hat. Vor allem bei der Frage der verheirateten Priester gebe es nur „das unbarmherzige Nein“ aus Rom. Diese „Verweigerung der Verzeihung“ sei aber wohl eine „viel größere Sünde als die Verletzung des Zölibats“. Allgemein stellt der Bischof der römischen Verwaltung „am Ende dieses Jahrtausends“ ein vernichtendes Zeugnis aus: Es herrsche die „Tendenz, menschliche Ordnungen und Traditionen höher zu werten als den göttlichen Auftrag“.

Ausdrücklich kritisiert der Kirchenmann die jüngste päpstliche Instruktion, die die Rolle der Laien in der katholischen Kirche einschränkt. Das Dekret zeige die Realititätsverweigerung der Kirchenleitung. Sie reagiere auf die kritische Lage „nach unten bestenfalls mit verständnisvollen Seufzern und bewegter Klage“ und begnüge sich „weiter oben mit der Zementierung der vorhandener Ordnungen“.

Stechers Brief stieß bei der „Kirchen VolksBewegung“ der deutschen Reform-Katholiken auf Zustimmung. Auch die deutschen Bischöfe sollten „endlich den Mut finden“, auf Unstimmigkeiten mit dem Vatikan offen hinzuweisen, heißt es in einer Erklärung vom Wochenende. Bernhard Pötter