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Bis zu 750 Milliarden KrediteEU-Stütze gegen Spekulanten

Am Sonntag Abend einigten sich die EU-Finanzminister auf ein umfassendes Kreditprogramm für zahlungsschwache Euro-Länder, um den Euro gegen Spekulation abzusichern.

Griffen tief in die Taschen: Finanzministerin Christine Lagarde (Frankreich), der Präsident der Europäischen Investmentbank Philippe Maystadt, der belgische Finanzminister Didier Reynders und Luxemburgs Wirtschaftsminister Luc Frieden. Bild: ap

BRÜSSEL rtr | Die EU-Finanzminister haben sich zur Abwehr einer Schuldenkrise in der gesamten Euro-Zone auf ein gigantisches Kreditprogramm im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro geeinigt. Wie EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn nach der Krisensitzung der EU-Finanzminister am Montagfrüh in Brüssel erklärte, werden 440 Milliarden Euro an garantierten Krediten von den Euro-Ländern über eine Zweckgesellschaft bereitgestellt.

Aus EU-Gemeinschaftsmitteln können Kredite von 60 Milliarden Euro fließen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lege noch einmal die Hälfte des EU-Beitrages drauf bis zu einem Höchstbetrag von 250 Milliarden Euro, erklärte die spanische Finanzministerin Elena Salgado. Auch die EZB kündigte Maßnahmen im Kampf gegen Spekulanten an.

"Der Rat der Finanzminister hat heute die Stabilität des Euro gesichert", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, der Finanzminister Wolfgang Schäuble bei den Verhandlungen in Brüssel vertrat. Er betonte, die Euro-Länder hätten sich außerdem verpflichtet, die Haushaltskonsoliderung zu verstärken und zu beschleunigen. Außerdem sei vereinbart worden, die Finanzmarktregulierung rasch voranzubringen - einschließlich einer substanziellen Beteiligung der Finanzinstitute an den Kosten der Krise.

Der Kreditrahmen über 440 Milliarden Euro hat eine Laufzeit von drei Jahren. Er wird über eine Zweckgesellschaft gesteuert, für die alle Euro-Länder eine Garantie abgeben werden. Die Zinshöhe der Kredite werde nach dem gleichen Berechnungsmodell festgelegt, das im Fall von Griechenland verwendet worden sei, ergänzte Rehn. "Wir verteidigen den Euro mit allem, was auch immer dazu notwendig ist."

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) sollte zur Stabilisierung des Euro mit Eingriffen am Sekundärmarkt für Staatsanleihen beitragen, erklärte Rehn. Wenig später kündigte die EZB an, am privaten und öffentlichen Anleihemarkt zu intervenieren. Den Umfang der Interventionen ließ die Zentralbank noch offen und erklärte, die werde der EZB-Rat festlegen. Zudem führt die EZB das Sechs-Monats-Geschäft wieder ein, nachdem es bereits ausgelaufen war.

Der Drei-Monats-Tender wird extra durchgeführt, um die Liquidität des Bankensystems zu erhalten. Zusätzlich werden Fremdwährungsgeschäfte mit anderen Notenbanken, darunter mit der US-Notenbank Federal Reserve und der Schweizer Notenbank wieder eingeführt, um den Banken in der Euro-Zone besseren Zugang zu Dollar und anderen Währungen zu ermöglichen.

Die Euro-Staaten hatten schon am Freitagabend unter dem Eindruck der jüngsten Turbulenzen an den Börsen beschlossen, Spekulationen auf einen Zerfall der Währungsunion mit einem gewichtigen Rettungsprogramm Einhalt zu gebieten. Die Gemeinschaftswährung ist nach Befürchtung der Politiker einer globalen Attacke ausgesetzt, die eine neue weltweite Finanzkrise auslösen und Europa wieder in die Rezession stürzen könnte. Formell war dazu ein Beschluss der Finanzminister der 27 EU-Staaten notwendig, von denen 16 zur Euro-Zone gehören.

Der Euro hatte sich in Erwartung des Hilfspakets am Sonntag schon deutlich erholt und gut einen Cent zum Dollar gegenüber dem Handelsschluss in New York zugelegt. Nach Bekanntgabe des Maßnahmepakets notierte die Gemeinschaftswährung in Fernost mit 1,2875 Dollar.

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9 Kommentare

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  • JK
    Juergen K

    Das Geldsystem stützt sich selbst.

     

    Das Geld wollte sparen,

    an Steuern und Sozialausgaben;

    das Gemeinwohl reduzieren.

     

    Jetzt gibt sich das Geld den gesetzlichen Rahmen.

     

    Wer sparen wollte, an Steuern, Sozialausgaben und am Gemeinwohl,

     

    muss jetzt sparen, an Steuern, Sozialausgaben und am Gemeinwohl.

     

    Wer will, der kann.

    Wer hat etwas anderes erwartet ?

     

    Wie entspannt die Fotografierten ausschaun !

     

    Wie das Geld es geschafft hat,

    dass die Politik sich den Sachzwängen ergeben muss.

     

    Nie wieder Schuld trägt.

     

    Und der Feind so virtuell und ungreifbar ist.

    Irgendwo in Asien vielleicht. In irgendeiner Datenbank. Who knows.

     

    Cool, dass der 10% Absturz des Dow Jones letzte Woche einfach rückabgewickelt wurde.

  • A
    avelon

    Na, wer hat denn hier wieder geschlafen?

     

    Es zeugt wieder einmal von Inkompetenz der europäischen Politik-Gemeinschaft, daß sich im Laufe des letzten Jahrzentes nationale Schulden derart anhäufen konnten, daß die Bevölkerungen nun ausgeblutet werden.

     

    Das hohe EU-Haus lebt in Saus und Braus. Nur weiter so ...

     

    Unter anderen sorgten die deutschen Regierungen dafür, daß Eurostat keinerlei Kompetenzen erhielt, um der Überschuldung der PIIGS Einhalt gebieten zu können.

     

    Euro-Skeptikern wird nun durch die Realität endlich eine Genugtuung zuteil, die alle Spöttelei und Besserwisserei der Technokraten doppelt wett macht.

  • K
    Kalle

    Die Finanzminister brauchten einen gemeinsamen Gegner und haben dazu die Spekulation gegen den Euro zum Bösen "aufgepumpt". Dem Euro geht es übrigens prima, er ist sowieso deutlich zu stark (fairer Wert bei 1,10-1,20) und etwas Schwäche mitten in der Rezession ist eher nützlich als schädlich. Die Euro Abschwächung der letzten Wochen ist angesichts der Griechenkrise etc völlig im Rahmen einer normalen Marktbewegung (bei der niemand früher auf Spekulation gewiesen hätte, Devisen bewegen sich halt mit neuen Nachrichten (weil Spekulanten kaufen oder verkaufen) und das ist auch gut so).

     

    Die Konstruktion einer "bösen" Euro-Spekulation vor der Tür hilft also das riesige Hilfspaket zu begründen, das zwar nötig ist, aber ohne gute Begründung ziemlich leichtsinnig aussehen würde. Und die Welt ist einfach zu kompliziert, um mit der richtigen Begründung durchzukommen. Deswegen wird "Gut gegen Böse" auf die Leinwand projeziert.

     

    Die "richtige" Begründung stelle ich mir so vor: Die Minister wollen unbedingt vermeiden -absolute Priorität- daß die Finanzkrise in eine zweite Runde geht, mit einer Wiederholung von Lehman, jetzt in Form von Griechenland plus Ansteckung Portugal, Spanien, evtl. Italien. Wir retten also die Griechen (die vom Markt wohl keinen Kredit mehr bekommen würden) und spannen den ganz großen Schirm auf, damit Portugal nicht als nächstes unter Druck gerät. Wir machen das nicht für die Griechen, sondern für uns selbst, damit die Konjunktur sich weiter erholt. Wenn wir das nicht täten, könnte die Lage in einer Weise ausser Kontrolle geraten, die wir uns noch gar nicht vorstellen können (so daß die Rezession bis jetzt nur eine leichte Vorspeise war). Und mit etwas Glück kostet der ganze Schirm kaum Geld, weil die genannten Summen nur zu einem kleinen Teil (sagen wir 5%) wirklich ausgegeben werden müssen.

  • BJ
    Big Jim

    Im Film klappt das immer, wenn der Held am Ende im Casino gegen die größten Zocker setzt und gewinnt. Hier allerdings gewinnen die Zocker weiterhin.

     

    Dabei ist es eigentlich recht simpel: wie in allen Systemen, wo Energie (oder hier Geld) von einem in den anderen Zustand schwingt, bekommt man nur Ruhe rein, wenn man eine Dämpfung einbaut. Darum haben die besten Sportwagen auch die besten Stoß´dämpfer.

     

    Im Finanzsektor will sich aber keiner an eine Dämpfung wagen, das wäre nämlich eine Finanzmarkt-Steuer. Ganz simpel. Gegen das Flüchten des Geldes in Steueroasen ließe sich bestimmt auch noch was finden.

  • R
    Ron777

    ...und es wird nicht funktionieren! Immer noch haben die europäischen Politiker nicht begriffen, dass die Schulden nicht Ursache sondern Folge einer strukturellen Krise sind. Südeuropa ist nicht konkurrenzfähig, hat wenig zukunftsfähige Wirtschaft, Bildungsdefizite, mangelnde Arbeitseffektivität und Qualität. Die erzwungenen Sparbemühungen reißen jetzt zudem neue Löcher: Arbeitslosigkeit, Käuferstreik, soziale Unruhen, Einbrüche im Tourismus usw. Nur ein Loslösen aus dem Währungsverbund Euro und eine nachfolgende Abwertung in eigener Währung können langfristig helfen!

  • KD
    Karl der KLeine

    Finanzattacke ?

     

    ..auch wenn ich keine Ahnung habe, wie eine Attacke im Einzelnen aussieht, ..liegt es doch nahe., das das Spekulantentum ..endlich auch als Gefahr von den Konservativen gesehen wird.

    Endlich muß auch die FDP kapieren, das der Neoliberalismus in ungezähmter Form viele Gefahren birgt.

     

    Oskar hat es vorausgesehen ;O) , doch man wird wohl weiter machen und ihm sowie seiner Partei nicht glauben

  • W
    Westberliner

    Den Tailban in Nadelstreifen (Spekulanten) kann nur das Handwerk gelegt werden, wenn sie zerschlagen werden. Deshalb: Macht kauptt, was uns kaputt macht.

  • IA
    Istes Auchwahr

    Reraise.

     

    Wir wetten 750 Mrd. auf den Euro.

     

    Getätigte Wetten der Spekulanten gegen die Währung inkl. Zweck-Schwächung des Euro haben uns dazu herausgefordert.

     

    Wir wetten, daß die Spekus den bisherigen Gewinn einstreichen und sich zurückziehen.

     

    Was ist der Speku :S: wert? Hat er mehr Petto als Euro?

    Will der Spekulant mitgehen, erhöhen?

    Hat er Spielraum?

    Wieviel SpielRaum haben wir?

     

    Fragen über Fragen: Raum und Zeit bleiben spannend...

  • W
    Wolfgang

    Die nach den jüngsten Erklärungen der EU stattfindende Erholung der Finanzmärkte beruhigt mich nicht. Klar ist nun, dass der IWF seine Krakenarme weiter ausgebreitet hat und die Gefahr weiterer Umverteilung und Bereicherung der Gierigen besteht. Mir macht es Angst, wenn schon der Finanzminister eines EU-Landes jüngst davon sprach, man habe es bei den Euro-Spekulanten mit einem Rudel Wölfe zu tun; gegen diese Wölfe "wettet" man nun mit den Milliardenversprechungen auf gerade diesen Märkten. Bei uns Bürgern wird von diesem Geld, mit dem wir uns bei unserer Zukunft und Kindern verschulden, nichts bleiben. Das Fundament ebenjener Märkte der Aasgeier werden weiter gestärkt.