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Birth of a nation

■ Wie Greil Marcus den Folk-Rebellen Dylan zum Staatsdiener umfunktionierte

Ein amerikanischer Privatgelehrter auf Vortragsreise: Alle Jahre wieder stellt Greil Marcus eine Abhandlung vor, diesmal Invisible Republic, seine Studie über Bob Dylans Basement Tapes – in der deutschen Fassung (Rogner & Bernhard) leider Basement Blues betitelt. Am Freitag las er in der Galerie Jürgen Becker.

Marcus war noch Anfang der Siebziger Musikredakteur beim Rolling Stone und zerstritt sich mit dessen Herausgeber ausgerechnet über die Rezension einer Dylan-Platte. Seitdem schreibt er seine großen Analysen über Punk und Faschismus, über Elvis Presley und Elvis Costello – und vor allem über die Popmusik und die US-Geschichte. Bei Invisible Republic geht es um seine liebste Dylan-Arbeit: die mit The Band buchstäblich im Keller improvisierten Folk-Songs. Marcus deutet sie als eine Form der Kontinuität, als Überlieferung und Händereichen der Generationen – von den Folkies der Zwanziger zum Dylan der späten Sechziger. Die Geschichte einer Heimkehr, die Gründung einer Nation auf ihren Liedern, das Selbstbewußtsein, aufbewahrt von fahrenden Sängern.

Intolerance könnte Marcus' Buch auch heißen, denn stets argumentiert er apodiktisch. Seine Ausschließlichkeit duldet keinen Widerspruch. Den redlichen Volkshelden Woody Guthrie würdigt er mit keiner Randnotiz, der König ist Elvis, und Dylan gilt ihm, wie Thomas Groß richtig schrieb, als „eine Art amerikanischer Goethe“. Immer wieder kehrt Marcus' Erinnerung zurück zum Newport Folk Festival – wie Bob Dylan also 1965 in friedlicher Atmosphäre die elektrische Gitarre anschloß und Verrat beging an den Folk-Vätern. Von da an war es vorbei mit der Gemütlichkeit.

Man darf Marcus vielleicht doch widersprechen, wenn er die Basement Tapes als Grundsatzerklärung der Vereinigten Staaten glorifiziert. Unser Dylan trägt nicht den Staat, er trägt das Gewicht der Welt: „He not busy being born / Is busy dying.“ Arne Willander

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