Biografie von Peer Steinbrück: Schachmatt in 37 Zügen
Er könne auch Kanzler, glauben politische Gegner des Sozialdemokraten Peer Steinbrück. Am Mittwoch wurde seine Biografie in Berlin vorgestellt.
Gegen den ehemaligen Weltmeister Wladimir Kramnik hielt er immerhin 37 Züge durch. Peer Steinbrück ist ein Spieler, der Schach ziemlich gut beherrscht. Am Schachspiel reizten ihn Strategie, Variantenreichtum und die „Duellsituation“, hat Steinbrück seinen Biografen Eckart Lohse und Markus Wehner erzählt. Die fügen hinzu, Steinbrück bevorzuge außerdem Sportarten wie Billard und Tennis, bei denen er nicht „von einer Mannschaft abhängig“ sei.
So steht es in dem Buch „Steinbrück. Biographie“, das Lohse und Wehner, beide Berliner Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, am Mittwoch in Berlin präsentierten. Kommentare zum Werk lieferte CSU-Pensionär Theo Waigel. Die große Frage des Buches und des Abends lautete: Wäre es eine gute Idee, wenn Peer Steinbrück – Exministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Exbundesfinanzminister und Exvize-SPD-Vorsitzender – Kanzlerkandidat und 2013 möglicherweise Bundeskanzler würde?
Der Porträtierte hat das wohlwollend-kritische Buch unterstützt, indem er den Autoren zwei längere Gespräche gewährte. Peer Steinbrück, 65, entstammt einer großbürgerlichen Familie. Einer seiner Vorfahren gründete 1854 das Berliner Bankhaus Delbrück, Leo & Co. und 1870 die Deutsche Bank. In der Fortsetzung dieser Tradition studierte Steinbrück Volkswirtschaft. Heute ist er eher auf der rechten Seite der SPD verortet.
Eckart Lohse, Markus Wehner: "Steinbrück. Biographie", Droemer Verlag München, 2012. 364 S., 19,99 Euro
Er ist wirtschaftsnah, aber nicht wirtschaftshörig. Vor der Finanzkrise hatte er gegen Deregulierung und Steuersenkungen zugunsten von Unternehmen und Kapitalinvestoren wenig einzuwenden. Später revidierte er manche Positionen. Er bekennt sich mittlerweile zu begrenzten Steuererhöhungen zulasten der Besitzenden und einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte. Wie Kanzlerin Angela Merkel fordert er, das „Primat der Politik“ gegenüber der Wirtschaft zu erneuern.
Steinbrück ist einer der wenigen Spitzenpolitiker, die ökonomische und soziale Interessen halbwegs glaubwürdig miteinander verbinden. Er macht sich stark für den Bankenstandort Frankfurt, sagt den Managern aber auch, dass sie die Hälfte ihres Profits abgeben müssen, um Schulen, Kitas und Arbeitslosengeld zu finanzieren. Als es in der Finanzkrise hart auf hart kam, stellte er sich zusammen mit Kanzlerin Merkel am 5. Oktober 2008 vor die Kameras und versprach den Bundesbürgern, ihre Bankkonten seien sicher – ohne zu wissen, was das den Staat im Extremfall kosten würde.
Ein „atypischer Politiker“
Dass sie ihr Buch über diesen Mann geschrieben haben, begründen die Autoren auf den ersten Seiten so: Steinbrück stehe als Einziger weit oben auf der Beliebtheitsskala in Wählerumfragen, obwohl er nur normaler Bundestagsabgeordneter sei. Daraus folgern Lohse und Wehner, dass Steinbrück ein Amt nicht braucht, um Menschen zu beeindrucken. Er sei ein „atypischer Politiker“.
So sieht Steinbrück sich auch selbst, wie seinem Lebensabschnittsbuch „Unterm Strich“ von 2010 zu entnehmen ist. Darin feiert er sich als aufgeklärten Sozialdemokraten, der von der piefigen Ortsverein-SPD und ihrer Sozialromantik nicht gebremst wird. Gerne bürstet er die Probleme gegen den Strich und pflegt eine schneidende Widerborstigkeit. Für Außenstehende lustig, in den Augen der Öffentlichkeit legendär, für die Betroffenen verletzend sind Redewendungen wie die über die SPD als Partei der „Heulsusen“ oder über die Steueroase Schweiz als Indianerstamm, dem man mit der US-Kavallerie drohen solle.
Arrogante Ader
Steinbrück hat keine Probleme, sich Feinde zu machen. Die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen stürzte er in Dauerstress, ohne für die SPD oder das Land viel dabei herauszuholen. Mit ihm als Kanzler könnte es sehr bunt werden. Er freut sich, wenn es knallt und raucht und zischt. Entschuldigungen sind seine Sache nicht.
„Eine seiner großen Schwächen ist seine Arroganz“, schreiben Lohse und Wehner. Einen „langjährigen Mitarbeiter“ zitieren sie mit dem Satz: „Steinbrück mag die Menschen nicht.“ So kam Theo Waigel zu dem auch parteipolitisch motivierten, möglicherweise aber nicht falschen Fazit: „Steinbrück kann Kanzler, aber es würde nicht gutgehen.“
Was bedeutet das für die SPD? Von den drei Angehörigen des Führungstrios hat Sigmar Gabriel die schlechtesten Chancen als Kandidat. Vielleicht würde die SPD mit Peer Steinbrück mehr Stimmen bei der Bundestagswahl holen als mit Frank-Walter Steinmeier. Dieser jedoch wäre vermutlich geeigneter, eine solide sozialdemokratische Regierungsarbeit abzuliefern. Momentan sieht es danach aus, als ob sich alle drei erneut als Juniorpartner in der großen Koalition unter Kanzlerin Merkel wiederfinden.
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