Bio-Siegel: Optionen für den Verbraucher
Bio wird übersichtlich: Ab 2009 haben Öko-Lebensmittel ein Einheits-Siegel. Bioland-Chef Thomas Dosch über Mindeststandards und billig-Bio.
taz: Herr Dosch, das Nachrichtenmagazin Focus titelte diese Woche: "EU duldet Gentech in Biokost". Die EU-Kommission sagt dagegen, Gentech in Bio war schon vorher erlaubt. Was stimmt denn nun?
Thomas Dosch: Gentechnik war und ist im ökologischen Landbau nicht erlaubt. Wenn aber technisch unvermeidbare oder zufällige Einträge von Gentechnik in Bioprodukte kommen, gelten künftig die Kennzeichnungsregeln für Gentechnik. Das bedeutet, dass bis zu 0,9 Prozent unvermeidbare Verunreinigung nicht gekennzeichnet werden müssen.
Die EU-Kommission will die Marktchancen von Bio auch dadurch erhöhen, dass sie nicht strengere Anforderungen stellt als bei konventionellen Lebensmitteln. Ist das richtig?
Wenn die Kommission - wie von vielen Umweltverbänden gefordert - für Bioprodukte einen Schwellenwert von 0,1 Prozent Verunreinigung einführen würde, während konventionelle Produkte erst ab 0,9 Prozent gekennzeichnet werden müssen, würde das Problem allein auf die Biobauern abgewälzt. Wir wollen eine strenge Prozesskontrolle und einheitliche niedrige Kennzeichnungsschwellen für alle Produkte, einschließlich der konventionellen Futtermittel.
Im September 2001 führte die damalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast das deutsche Bio-Siegel ein. Nur Erzeugnisse, die nach der EG-Ökoverordnung hergestellt werden, dürfen es tragen, momentan sind es 39.222 Produkte. Ein gutes Jahr älter ist das EU-Öko-Logo, eine von den 12 EU-Sternen umgebene Getreideähre, das in Deutschland bisher jedoch kaum genutzt wird. Mit der jetzt verabschiedeten neuen Verordnung wird das EU-Label Pflicht für alle biologisch hergestellten Produkte, allerdings dürfen nationale Siegel weiter verwendet werden. Diskutiert wird jedoch das Aussehen des bisherigen EU-Zeichens, es dürfte in den kommenden Monaten noch verändert werden.
Wo sind die Schwächen des neuen EU-Ökosiegels?
Die Mindeststandards sind sehr schwammig formuliert. Vor allem wird die Möglichkeit geschaffen, dass einzelne Länder in Ausnahmefällen die Richtlinien unterschreiten können. Das wird zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Ein Beispiel: Auf Grund einer vorgeblichen Futterknappheit hat Österreich seinen Biobetrieben erlaubt, bis zu 40 Prozent konventionelles Futter pro Tagesration zu verfüttern. Das stellt diese Bauern besser als die Konkurrenz. Wir können nur hoffen, dass solche Ausnahmen streng beschränkt werden. Wir fordern ein Schwarzes Brett im Internet, wo einsehbar ist, wer die Richtlinie aus welchen Gründen nicht einhalten will.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Zusatzstoffe.
Wenn ein bestimmtes Vitamin oder Enzym nicht mehr vorhanden ist, dann soll auch ein durch Gentechnik erzeugter Ersatz verwendet werden können.
Sie sind auch nicht glücklich über die Regelungen zur Herkunftsbezeichnung?
Vordergründig verfolgt die Kommission das hehre Ziel, dass der Verbraucher immer weiß, wo die Produkte herkommen, die er isst. Das wird aber nur für Bioprodukte aus Europa vorgeschrieben, für Bioimporte und konventionelle Lebensmittel gilt die Vorschrift nicht. Wenn ein Hersteller von Biojoghurt 100 Prozent Andechser Biomilch verwendet und Mango-Extrakt hinzugibt, darf er den Becher nicht mehr als bayerisches Produkt etikettieren. Das ist Verbraucherverwirrung.
Es gibt ja derzeit eine große Diskussion darüber, ob nur ein regionales Produkt ein echtes Bioprodukt ist
Es gibt sehr gute Betriebe in Tschechien, die Bioland sofort aufnehmen würde. Es gibt aber auch Biobetriebe in Deutschland, die wir nie akzeptieren würden. Mit diesem Konsumpatriotismus ist man nicht immer auf der richtigen Seite.
Bioland hat ein eigenes Siegel, das für strengere Produktkontrolle und strengere Schwellenwerte steht. Wie halten Sie das ökonomisch durch?
Auch der Biomarkt ist gespalten. Es gibt Kunden, die wollen billige Produkte, die gerade noch die Mindeststandards erfüllen. Andere wollen Premiumqualität und bezahlen dafür mehr. Ein Beispiel: Sie können einen Apfelsaft aus biologischem Konzentrat, mit Wasser aufgemischt, im Tetrapak für unter einem Euro kaufen. Ich kann Ihnen aber auch einen Apfelsaft von einer Bioland-Streuobstwiese anbieten, in einer Kelterei verarbeitet, da können wir gemeinsam die Äpfel reinkippen. Der Saft kommt in eine schöne Flasche mit einem schönen Etikett und kostet 1,70 Euro. Beides findet seine Kunden am Markt. Es geht nicht um eine moralische Bewertung, sondern um Optionen.
Wenn es bei Bioland zu messbaren genveränderten Einträgen kommt, müssen Sie manchmal eine ganze Ernte oder eine ganze Lieferung weit unter Preis an den konventionellen Landbau verkaufen. Wer bezahlt Ihnen den Schaden?
Wir versuchen in unserer ganzen Produktionskette von der Saat über die Futtermühle bis zum Endprodukt Genverunreinigungen zu vermeiden. Wenn wir sie dennoch feststellen, lässt sich meist kein Schuldiger ermitteln. Wir haben eigene Anbauflächen in Oberitalien, eigene Lager und eigene Transportlaster. Trotzdem hatten wir neulich 0,3 Prozent Gen-Verunreinigung in unserem Soja und haben es nicht verwendet. Das kostet ein Heidengeld. Eine solche Entscheidung muss aber dem Betrieb überlassen bleiben. Wenn per Gesetz geregelt wird, dass ein Schwein, das versehentlich zwei Wochen lang Genfutter gefressen hat, sein Biolabel verliert, sind die Züchter pleite.
Wie sieht die Haftungsregelung in Deutschland aus?
In Deutschland bekomme ich ja derzeit erst Entschädigung, wenn die Ware mehr als 0,9 Prozent GVO enthält. Dabei ist schon konventionelle Ware mit einem Anteil von 0,7 Prozent nicht mehr verkäuflich, weil in der weiteren Produktionskette leicht noch was dazukommen kann und der Endverkäufer die Ware dann als Genfood kennzeichnen müsste.
Die EU-Kommission hat die Regelung des störungsfreien Nebeneinanders von genverändertem und traditionellem Anbau den Mitgliedstaaten überlassen. Ist das ein Zeichen von Konfliktscheu?
Absolut. Die Kommission hat durchgesetzt, dass kein Land Gentechnik verbieten darf. Österreich oder Polen können so nicht ausscheren. Die Kommission bietet keinen wirksamen Schutz für Produzenten an, die keine Gentechnik verwenden wollen. Natürlich sind die klimatischen Bedingungen in Finnland anders als in Italien. Aber eine einheitliche EU-Ökoverordnung war ja auch möglich.
THOMAS DOSCH, 46, stammt von einem kleinen Bauernhof in Süddeutschland und ist Vorsitzender des Bioland-Verbandes
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