Bio-Limonaden-Erfinder Bethke und Berndt: "Es geht uns nicht ums Geldverdienen"
Paul Bethke und Jakob Berndt aus Hamburg haben eine Bio-Limonade aus fair gehandelten Zutaten erfunden, die nun, hübsch verpackt, ein junges Publikum erreichen soll.
taz: Herr Bethke, Herr Berndt, Sie haben Anfang Juli zwei neue Softdrinks auf den Markt gebracht - die fair gehandelte Bio-Limonade "Lemonaid" und den ebenso fairen Bio-Eistee "Charitea". Warum brauchen wir eigentlich noch mehr Limonade?
Paul Bethke: Was wir machen, gibt es bisher noch nicht: eine schöne Limonade, die das Fairtrade-Thema puscht.
Jakob Berndt: Softdrinks sind für uns ein ganz zentraler Lebensbestandteil, ein großer Teil der Jugendkultur und deswegen ein ganz spannender Bereich. Gerade weil man hier Leute für Fairtrade begeistern kann, die sonst kaum etwas davon mitbekommen - weil sie eben nicht im Reformhaus einkaufen gehen.
Was machen Sie anders als die Brausekonkurrenz?
Berndt: Wir beziehen unsere Ware aus fairem Handel, das bedeutet, dass wir die Produkte nicht zum Marktpreis kaufen, sondern zu einem festgelegten Satz, der deutlich über den normalen Preisen liegt. Dadurch werden Preisschwankungen des Weltmarkts vermieden und mit diesen fixen Einnahmen können lokale Strukturen wie Bildung oder Altersvorsorge geschaffen werden. Dieses System unterstützen wir, in dem wir fair gehandelten Tee aus Sri Lanka beziehen, Limettensaft aus Brasilien und Zucker aus Paraguay.
Bethke: Und wir verbinden diese gute Ware mit einem coolen Produkt.
Paul Bethke, 28, hat in Sri Lanka Abitur gemacht und Volkswirtschaft in Hamburg, Frankreich und England studiert. Nach dem Studium ging er als Entwicklungshelfer für die GTZ nach Sri Lanka und war unter anderem Koordinator von Hilfsgütern nach der Tsunami-Katastrophe Ende 2004. Bevor er Lemonaid gründete, arbeitete er zwei Jahre für ein Smoothie-Startup.
Jakob Berndt, 28, hat in Lüneburg und Sydney Kulturwissenschaften studiert, ging dann zur Werbeagentur Jung von Matt, wo er Kunden wie Mercedes Benz, Arte, das Konzerthaus Dortmund und Projekte wie "Häufigstes Wohnzimmer Deutschlands" betreute. Er gründete eine Online-Plattform für Künstler und führte eine kleine Galerie in Hamburg-St. Pauli.
Herr Bethke, wie kommt man eigentlich von der Entwicklungshilfe zur Limonade?
Bethke: Die Namensidee Lemonaid, ein Wortspiel mit dem englischen Wort für Limonade und dem Hilfsgedanken, hatte ich vor ungefähr drei Jahren, als ich für die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Sri Lanka gearbeitet habe. Ich wollte aus der Entwicklungszusammenarbeit raus, raus aus diesem Mit-dem-weißen-Jeep-durch-die-Gegend-fahren-und-Weihnachtsmann-Spielen. Ich wollte selbst Geld generieren und das dann für soziale Zwecke einsetzen und nicht einfach nur Schleusen öffnen und Staatsgeld raus pumpen.
Die Namensidee ist die eine Seite - aber Sie hatten doch gar keine Ahnung von Lebensmitteln, oder?
Bethke: Deswegen bin ich nach der Zeit bei der GTZ für zwei Jahre in ein Smoothie-Startup eingestiegen. Am Getränkemarkt per se hatte ich zwar kein Interesse, aber ich musste ja wissen, wie der Markt funktioniert.
Berndt: Vor rund einem Jahr haben wir dann beide unsere Jobs gekündigt, in meiner Küche ganz viel mit Tee und Fruchtsäften herumhantiert und dort unsere Rezepturen selbst entwickelt.
Bethke: Wir wollten einen Klassiker machen mit Schwarztee und Zitrone, einmal etwas Fruchtiges mit Rooibos und Passionsfrucht und eine Wellness-Variante für die Yoga-Fraktion mit Ingwer und Honig und grünem Tee. Alles frisch und zuckerfrei. Und die Limonade basiert auf klassischem Lime juice, der in Asien oder auch in England das Standardgetränk ist und den es in Deutschland gar nicht gibt.
Und dafür haben Sie, Herr Berndt, Ihren Job bei Jung von Matt aufgegeben?
Berndt: Auch wenn mir mein alter Job Spaß gemacht hat, war Reklame zu machen nie mein Wunschtraum. Als Teil einer großen Agentur, die für einen noch viel größeren Kunden arbeitet, fehlt mir in vielerlei Hinsicht die "Selbstwirksamkeit": Da arbeiten gefühlt eine Million Leute im Marketing, jeder macht seine Präsentation, trägt seinen Senf bei - und am Ende des Tages weißt du nie wirklich, ob es irgendwas gebracht hat. Geschweige denn etwas Gutes. Das war der größte Motor, etwas Eigenes zu machen, etwas auf die Beine zu stellen. Außerdem habe ich sowieso schon die ganze Zeit die Sinnfrage gestellt.
Das klingt jetzt aber doch ein wenig abgedroschen …
Berndt: Ich weiß, aber das macht es ja nicht falsch. Ich wollte immer etwas Sinnvolleres machen als Reklame, und dieses Projekt vereint ganz viel, weil man ein Produkt entwickelt, das einen sozialen Beitrag leistet, für junge Leute gemacht ist und eben auch viel Kommunikation braucht.
Bethke: Ich will mit diesem Projekt etwas weitergeben, damit ich hinterher sagen kann, ich habe mich wenigstens bemüht, es etwas cooler zu machen, als es vorher war.
Aber letztlich geht es doch ums Geldverdienen?
Bethke: Nein, für mich spielt das keine Rolle. Dann wäre ich bei der GTZ weiter die Leiter hochgeklettert. Finanziell rechnet sich diese ganze Aktion vorn und hinten nicht, vielleicht irgendwann einmal.
Berndt: Wenn wir Gewinne machen, werden wir davon 50 Prozent in eine Stiftung stecken und eigene soziale Projekte in Sri Lanka und Brasilien aufbauen.
Das klingt eher nach einer geschickten Verkaufsstrategie, damit die jungen gut Verdienenden Ihre mit 1,50 bis 3,30 Euro recht teure Limonade kaufen - und nicht eine der hundert anderen Sorten.
Bernd: Der Anspruch, ein fair gehandeltes, biologisches Produkt zu machen, schränkt die Käufer ja von vornherein ein. Fairtrade im Discount-Bereich für Zehnjährige geht ja nun nicht. Ein Produkt wie unseres muss sich an ein junge, bewusst konsumierende, anspruchsvolle und einigermaßen gut verdienende Zielgruppe wenden.
Eine recht überschaubare Käufergruppe. Müssten Sie sich mit dem Ziel, Geld für soziale Projekte verdienen zu wollen, nicht breiter aufstellen?
Bethke: Mit dem Wunsch, Geld für soziale Projekte zu generieren, könnte man natürlich sagen, wenn Plus oder Aldi anruft, sagen wir sofort Ja. Aber man weiß auch, dass dann im nächsten und übernächsten Jahr die Preise gedrückt werden, man komplett von denen abhängig ist und am Ende keiner mehr irgendwas kriegt. Deswegen wollen wir in der schönen Gastronomie, in schönen kleinen Läden wachsen. Das ist das langfristig tragbarere Konzept.
Sie wollen mit diesem Konzept Vorbild für andere sein, die sich gegen die großen Konzerne entscheiden sollen. Wie ist denn das zu verstehen?
Berndt: Das hast du gesagt.
Bethke: Ich denke, dass man eine Firma aufziehen kann, ohne hinterher mit dem Bentley durch die Gegen zu fahren. Wirtschaft heißt nicht nur Geld und Gier, sondern man kann dieses System auch anders einsetzen. Wäre das mehr Leuten klar, würde es viel mehr geile Projekte geben wie unseres. Aber diese Social-Entrepreneur-Sache entwickelt sich erst jetzt sehr stark. Ich glaube, dass es eine Menge junger Leute gibt, die Bock und coole Ideen haben und die das im Endergebnis eben nicht auf ihr schönes Haus eichen, sondern auf etwas Sinnvolleres.
Soziales Unternehmertum ist doch auch nur eine Marketingstrategie, um sich einen grünen oder sozialen Anstrich zu verpassen - und die Kunden fühlen sich gut, während sie ihr Geld ausgeben …
Bethke: Ich meine aber die Berufseinsteiger, die keine Geschäftsleute sein wollen. Die wollen wir ermutigen - weil man auf diesem Weg etwas bewegen kann.
Wieviel können Sie mit Ihrem Nischenprodukt für Großstädter bewegen?
Berndt: Kleinbleiben in ein paar schönen Läden in Hamburg oder Berlin ist ja kein Dogma, sondern hat eher was mit Markenführung zu tun. Wir wollen die Marke langsam und organisch wachsen lassen. Und es ist nicht schlau, innerhalb von Sekunden in allen Supermärkten der Republik zu stehen. Wir wollen uns langsam etablieren, damit die Leute noch lange Lemonaid und Charitea trinken. Denn auf lange Sicht wollen wir natürlich schon viel Limo verkaufen - und auf diese Weise viel bewegen.
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